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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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tyrannische Natur haben kann), und verlangte, ich solle das Zimmer verlassen.
    »Madame, Ihr habt Fontanette fortgejagt …«
    »Und Ihr wißt sehr gut, weshalb«, schrie sie.
    »Ich werde es wissen, wenn Ihr es mir sagt, Madame.«
    »Ich werde mich hüten, meine reinen Lippen mit Euren schändlichen Geschichten zu beschmutzen.«
    »Madame, hat sie gestanden?«
    »Monsieur, sie hat gebeichtet. (Dame Rachel geriet vor Erregung ins Stammeln.) Ich habe es erfahren, mehr brauche ich nicht zu sagen. Wenn es nach mir ginge, hättet auch Ihr unter meinem Dach nichts mehr zu suchen.«
    »Habt Dank, Madame, für Eure christlichen Gefühle«, erwiderte ich ziemlich ruhig, »doch da ich mich schuldiger fühle, als es die arme Fontanette ist, wüßte ich gern, wohin sie gegangen ist, damit ich ihr in ihrer Not Hilfe und Unterstützung geben kann.«
    »Sie hat ihren Lohn!«
    »Verzeihung, Madame, damit kommt sie nicht weit. (Dame Rachel durchbohrte mich mit ihren Achataugen.) Da Ihr sie in Dienst genommen habt, wißt Ihr gewiß den Namen des Dorfes.«
    »Ich hab ihn gewußt«, sagte sie, und ein grausamer Triumph leuchtete in ihren Augen. »Ich hab ihn gewußt, doch just als ich die pestende Dirne aus dem Haus jagte, hab ich sie aus meiner Erinnerung getilgt, dazu ihren Namen, ihre Herkunft, ihr Dorf.«
    In meiner irren Wut hätte ich sie am liebsten gewürgt, um ihrem Mund den Namen abzutrotzen, den sie mir vorenthielt. Doch wie mörderisch auch meine Blicke, sie war aus Stein undfühlte nichts, nicht einmal Angst. Ohne ein weiteres Wort ließ ich sie da zurück.
    Ich rannte die Stiege hinunter, befahl Miroul zu satteln, sattelte selbst meine Accla, und während ich den Zaum anlegte, sagte ich zu Miroul, wir ritten aus, um Fontanette zu finden, reihum würden wir die Torwächter fragen, ob sie ein junges Mädchen von ihrer Beschreibung gesehen hätten; er solle zum Salinen-Tor, zum Lattes-Tor und zur Porte de la Blanquerie galoppieren, ich wolle bei der Porte du Pila Saint-Gély und bei der Porte du Peyrou nachfragen.
    Leider hatte niemand Fontanette gesehen. Zu allem Unglück war in Montpellier auch noch Markttag gewesen, und jetzt, gegen Abend, drängten die Bauern und ihre Frauen scharenweis durch die Tore heimwärts. Da war großer Auflauf in den Gassen, ein so gewaltiges Getümmel an Leuten, Wagen, Maultieren, Eseln und Tragekörben, daß meine Accla kaum einen Huf vor den anderen bekam. Wem wäre in dieser Menge ein junges Mädchen aufgefallen, das vielleicht weinend sein Bündelchen trug? Die Torwachen lachten nur, als ich sie fragte.
    Als endlich der Andrang nachgelassen, ritt ich in gleicher Weise, wie Miroul es nach seiner Seite hin tat, zwei oder drei Meilen die Ausfallstraßen ab, hielt in den umliegenden Dörfern an, beschrieb meine arme Fontanette, fragte die vor den Hütten sitzenden alten Weiber. Nichts erfuhr ich, außer daß sie mir falsche Wege wiesen, und grausam war die Enttäuschung.
    Zur Nacht kehrte ich heim, müde und staubbedeckt, mit einem Würgen in der Kehle. Miroul war schon da, auch er in seinen Nachforschungen gescheitert, was mir der traurige Blick aus seinen zwiefarbenen Augen kundtat. Ich warf ihm die Zügel meiner Accla zu. Da ich nichts essen wollte, um nicht mit dieser Gorgone am selben Tisch zu sitzen, stieg ich in mein Zimmer hinauf und ließ mich auf mein Lager fallen. Dort blieb ich liegen, unfähig zum Überlegen. Schlafen konnte ich nicht: manchmal lauschte ich in die Stille der Nacht, ob nicht das leise Geräusch von Fontanettes Türriegel zu hören wäre.
     
    Tags darauf erfuhr ich von meiner guten Thomassine, daß Cossolat, während Samson in der Schule weilte, bei Dame Gertrude du Luc gewesen und sich für drei Stunden mit der schönen Frömmlerin eingeschlossen hatte. Die Thomassine bat mich,ich solle die Schamlose augenblicklich zur Rede stellen und ihr das Unziemliche ihres Benehmens vorhalten. Darauf mochte ich nicht eingehen, fürchtete ich doch, daß diese Circe auch mich in ein Schwein verwandeln würde, allein indem sie mir ihre runden Arme um den Hals schlang. Mit Cossolat wollte ich ebensowenig sprechen, denn er hätte mich ausgelacht; seine ständige Redensart war: wann immer Römlinge nach Montpellier kämen, sei eine Pilgerin dabei, die ihre Heiligen an seiner Brust vergesse. Was ihm erwidern auf solche Prahlerei? einstimmen in sein Lachen? mich ärgern?
    Allerdings quälte mich der Gedanke, mein armer Samson könne von der Untreue seiner Liebsten erfahren: das wäre

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