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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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gar nicht, wieso das für die Abtei des Bruders Antoine eine Bereicherung sein konnte, doch ich brauchte nur zuzuhören.
    »Einmal im Jahr, zu Allerheiligen«, fuhr Bruder Hyacinthe fort, »werden diese Reliquien den Gläubigen gezeigt, die dann wie die blökenden Lämmer auf allen Wegen herbeidrängen, um sie zu verehren. Denn diese Verehrung bringt ihnen großen Gewinn: jahraus, jahrein einhundertdreißigtausend Ablaßtage! Bei solcher Unsumme von Tagen, mein Sohn, mögt Ihr Euch die Höhe der Weihgaben ausmalen!«
    Ich sagte keinen Ton, innerlich aufgebracht über diesen beschämenden Schacher.
    »Was mich betrifft«, sprach Bruder Hyacinthe, »der ich einem Bettelorden angehöre, so ist Armut mein Los. Wenn Ihr Wert darauf legt, daß ich mir Eure Sünden anhöre, mein Sohn, schuldet Ihr mir ein Beichtgeld.«
    »Da ist es«, sagte ich, nachdem ich, nicht ohne Abscheu, in meiner Börse gekramt hatte.
    »Drei Sols! das ist reichlich wenig vom Sprößling eines Barons.« Bruder Hyacinthe nahm das Geld auf seiner breiten Handfläche in Augenschein. »Ihr solltet nicht knausern, mein Sohn. Wer Reue empfindet, gibt dem Beichtvater freudigen Herzens. Oder ist Eure Zerknirschung nur unvollkommen?«
    »Hier sind noch zwei Sols«, sagte ich, sehr verärgert darüber, daß ich mich schröpfen ließ.
    »Das geht wohl«, sagte Bruder Hyacinthe. »Mein Sohn, ich höre.«
    Und obwohl ich, wie jeder Hugenotte, die Ohrenbeichte ablehnte und zudem diesen Mönch, der mir kaum zuhörte, ob seiner Geldgier gründlich verachtete, bot ich ihm lebhaft meine Sünden dar, ohne auch nur eine zu unterschlagen, ohne irgend etwas zu mildern, vielmehr mit einer gewissen Herzensehrlichkeit und Furcht auch, daß ich Gott mißfallen haben könnte – als hätte ich vergessen, mit welch weltlicher Absicht und auf Nutz bedachter List ich mich diesem Mann öffnete. Ha! sann ich hernach, haben die Papisten darin wirklich recht, daß weniger der Beichtvater zählt und mehr die Beichte?
    »Mein Sohn«, sprach Bruder Hyacinthe, als ich endlich geendet hatte, »ehe ich Euch freispreche, muß ich Euch Buße auferlegen, denn Ihr habt fleischlich gesündigt zu Castelnau d’Ary und gesündigt auch durch Zunge und Gaumen. Für die Sünde der Unzucht werdet Ihr zehn Vaterunser und zehn Ave-Maria beten. Und für die Sünde der Naschhaftigkeit, die gleichfalls eine Kapitalsünde ist, übergebt Ihr mir sämtliche Kuchenstücke, die Ihr in Euren Beuteln verwahrt.«
    Eines nach dem anderen rückte ich ihm heraus, zu meinem Kummer! Und ich will nicht behaupten, daß es demutvoll, ohne inneren Grimm geschah. Sodann erteilte mir Bruder Hyacinthe die Absolution – jenen Schild, dessen ich mich zur Abwehr der uns drohenden Hiebe bedienen wollte.
    Gewiß, die Kutte macht nicht den Mönch, aber wahr ist auch, daß sie ihm ebensowenig Abbruch tut. Ich habe in Sarlat, als die Pest so viele Menschen verschlang, Franziskaner erlebt, deren Habit ein biblisches Herz barg. Bischof, Priester, Seneschall, Richter, Edelleute, reiche Bürger und selbst einer der beiden Konsuln – alle waren beim ersten Anzeichen der Seuche aus der Stadt geflohen. Die Franziskaner aber blieben, und nimmermüd versahen sie die Pestkranken mit ihrem geistlichen Beistand. Alle kamen ums Leben bis auf zwei, die mein Vater vom Lumpenpack der Vorstadt Lendrevie befreite. Als mein Vater ihnen für ihre wundervolle Aufopferung während der Seuche Lob aussprach, antwortete der eine dieser Franziskaner mit einer Bemerkung, die das Lieblichste, Schönste und Barmherzigste ist, was je ein Papist zu einem Hugenotten sagte: »Ich will in Euch nicht einen Ketzer sehen, sondern einen Christen, der zwar von meinem Wege abgekommen ist, dem ich aber am Ende dieses Weges wieder begegnen werde.« Ich kehrte zu meinem lieben Samson zurück und vermeldete ihm, daß man sein schleichendes Fieber bezweifle: könnte er nicht einen jähen Schwächeanfall vortäuschen und sich mitten unter den Normannen von seiner Albière fallen lassen? Ich brauchte lange, ihn zu überzeugen, so sehr widerte ihn diese Komödie an. Doch er fügte sich, lenkte die Stute zur Rasenseite der großen Straße hin und fiel trefflich aus dem Sattel, ohne seinen Brustharnisch zu zerbeulen, nur eben daß ihm der Helm vom Kopf rutschte und mit Gepolter auf den steinigen Weg rollte. War das eine Aufregung! erst Lacher und Gewisper, dann eineinziges Mitfühlen und Bedauern, vor allem seitens der normannischen Damen, denen die Schönheit meines Samson

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