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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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beichtet«, sagte Miroul.
    »Ich diesem teuflischen Bruder beichten? Er wird schon beim ersten Wort merken, daß ich nicht Papist bin.«
    »Ihr braucht ja nicht bei ihm zu beichten, wendet Euch an Bruder Hyacinthe, der etwas schwer hört, im übrigen ist er ein Träumer und Tor und kein Freund von Bruder Antoine, denn er wird von ihm abfällig behandelt, weil er einem anderen Orden angehört.«
    »Wunderbar! Woher weißt du das alles, Miroul?«
    »Ich unterhalte mich mit den Dienern. Diener wissen mehr als die Herrschaften, manchmal auch über die Herrschaften.«
    Sein kastanienfarbenes Auge blitzte auf, während das blaue Auge kalt blieb, ein Zeichen, daß er im Bilde war, wie ich meine Nächte in den Armen der zwei Engel und in den Krallen des Löwen verbracht hatte.
    Bruder Hyacinthe ritt stets am Schluß unseres Zuges; nicht daß sein Klepper schwach gewesen wäre, er trieb ihn nur eben nicht, ließ die Zügel am Sattelknopf hängen, hielt die Hände allenfalls fromm gefaltet über einem dicken Wanst, um den seine Gedanken unablässig zu kreisen schienen unter der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze. Dämmrig in sich gekehrt, ritt er den ganzen Tag so hin, friedvoll, bedächtig, schweigsam, dabei die Mähre ihren Herrn nachahmte und erst in Trab fiel, wenn sie die Artgenossen aus dem Blick verlor. Nie richtete Bruder Hyacinthe ein Wort an seinesgleichen und hatte für niemanden, der ihn ansprach, eine Erwiderung, stellte sich taub, brabbelte nur immerzu ein Vaterunser, damit er nicht gestört würde, und dünkte stets wie in innerer Sammlung. Bei den Pilgern stand er im Geruch der Heiligkeit, und Caudebec hielt ihn hoch in Ehren.
    Kehrte man aber zur Nacht ein und gab es ein gutes Mahl, dann wachte unser Eremit auf, streifte die Kapuze ab, enthüllte seinen blanken Schädel, und man sah sein stattliches Vollmondgesicht und die karminrote Nase. Dann hatte er auch wieder sein Gehör und lauschte, was die Wirtin an Fleischspeisen anbot; desgleichen auch eine kräftige Stimme, um die Serviermädchen mit dem Wein zu rufen. Und er aß und trank mit wohliger Miene, wie manche Ordensbrüder, die sich weidlich den Magenfreuden hingeben, weil ihnen tiefer angesiedelte Wonnen verwehrt sind. (Allerdings erlebte ich Mönche, auch in diesemnormannischen Trupp, die sich um Regel und Gelübde nicht scherten, sondern sich in der Sünde der Wollust wie in der Sünde der Gefräßigkeit sielten.)
    Doch zurück zu meinem Bericht. Ich zügelte meine Accla, was so einfach nicht war, weil meine kleine schwarze Stute diesen großen normannischen Pferden stets voraus sein wollte, und ritt neben dem Mönch her.
    »Bruder Hyacinthe«, sprach ich ihn laut an, zu seiner Kapuze vorgebeugt, »würdet Ihr die Güte haben, mir die Beichte abzunehmen?«
    »Eh? Eh? Eh?« sagte er nur, ohne den Kopf zu wenden.
    Und er brabbelte ein Vaterunser und ein weiteres gleich hinterdrein. Da langte ich in meine Satteltasche, holte ein Kuchenstück der Patota hervor und hielt es ihm unter die Nase.
    »Gott vergelt’s, mein Sohn«, sprach Bruder Hyacinthe, schnappte das Kuchenstück und steckte es in sein breites Maul.
    Nachdem er es gekostet, auf der Zunge hin und her gewendet, gegen den Gaumen gedrückt, in köstliche Krümelchen zerkleinert und endlich hinabgeschlungen hatte, sagte er mit einem Seufzer:
    »Das kann ich tun, gewiß. Unser heiliger Vater, der Papst, hat meinen Orden im Jahre 1256 ermächtigt, mit Erlaubnis des Herrn Bischofs in den Grenzen der Diözese die Beichte abzunehmen.«
    »Bruder Hyacinthe, könnt Ihr nicht auch außerhalb Eurer Diözese die Beichte abnehmen?«
    »Gewiß kann ich das. Ich habe die Erlaubnis, diesen Pilgern hier allenorts die Beichte abzunehmen.«
    »Ich bin aber kein Pilger.«
    »Macht nichts, Ihr gehört zu unserer Truppe, als Dolmetscher des Barons.«
    Hierauf blieb er so lange stumm, daß ich schon meinte, er sei eingeschlafen. Doch dann fuhr er fort:
    »Mein Sohn, ich gehöre dem ärmsten aller Bettelorden an und habe in meinem Mönchskleid keinen einzigen Sol. Fürwahr, ich trage nicht Lederstiefel an den Füßen, habe nicht goldene Schnüre an meiner Kapuze wie etliche Benediktiner, die ich zu nennen wüßte.«
    »Es stimmt, Bruder Antoine scheint recht betucht zu sein.«
    »Betucht!« rief Bruder Hyacinthe. »Seine Abtei hält im tiefstenGewölbe einen gewaltigen Schatz verschlossen: siebzehntausendvierhundertdreiundvierzig Reliquien, darunter einige Splitter vom wahren Kreuz.«
    In meiner Naivität verstand ich

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