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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Gesichtsfarbe ist, das schleichende Fieber nicht abnimmt. Ebensowenig glaubt er, daß Ihr der wahren Religion angehört, denn seit Toulouse habt Ihr nicht gebeichtet, trotz allem, was Ihr in den Herbergen getan.«
    »Und was antwortet der Baron?«
    »Er versichert, daß er Euch recht sehr mag. Sollte sich aber beweisen, daß Ihr ein Ketzer seid, wird er Euch seinen Degen durch die Leber bohren in der Erwartung, daß er nach seinem Tode von Unserem Herrn Jesus Christus Vergebung erfährt.«
    »Meine Leber soll ihm das Heil bescheren!« spöttelte ich, innerlich sehr erregt. »Lieber Rouen, ist das alles?«
    »Keineswegs. Bruder Antoine meint, anstatt Euch umzubringen – was nicht gefahrlos wäre –, sollte man Euch alle drei den Richtern von Carcassonne übergeben, zur Ermittlung Eures wahren Glaubens.«
    »Ein braver Apostel!« rief ich, immer noch Gelassenheit heuchelnd. »Rouen«, fuhr ich lächelnd fort, »nimm als Dank für deine Treue dieses Kuchenstück und diese zwei Sols entgegen. Aber ich bin kein Ketzer und werde es zur Genüge beweisen.«
    »Und wärt Ihr es«, sagte Rouen, »würde ich Euch dennoch mehr mögen als den Bruder Antoine, der meine Streiche dem Baron hinterbringt, so daß kein Tag vergeht, an dem ich nicht ausgepeitscht werde. Ach! so übel setzt mir die Peitsche zu, daß mein Hintern schon arg lädiert ist, ich kann mich nur unter großer Pein im Sattel halten! Verdammt, die Pest wünsch ich dem berockten Schwein an den Hals! Und die Hunde sollen ihn beißen, an gleicher Stelle, die meine Wunde trägt!«
    »Beim heiligen Antonius, da will ich dir helfen, so gut ich kann!« versicherte ich, schenkte ihm ein weiteres Kuchenstück und schickte ihn an seinen Platz zurück, er solle weiter kräftig lauschen. Ich selbst blieb eine Weile hinten, sehr nachdenklich, den Blick auf die Ohren meiner Accla geheftet. Brave Accla! du würdest keine Stute mit den Hufen treten wegen eines Dogmenstreits! Aber die unangenehme Nachricht des Pagen – welch schlechtes Bild gab sie mir von meinesgleichen! Dieser wenig brüderliche Bruder, den ich in nichts beleidigt hatte!Dieser Baron, dem ich durch meine Dolmetscherei so viele gütliche Dienste erwiesen! Hatte ich ihm die Gräte aus dem Schlund gezogen, damit er Blut und Tod gegen mich erbrach? Himmlischer Herrgott! Kaum habe ich Mespech verlassen, zeigen sich mir die Menschen in ihrem wahren Wesen, ihrem Eigennutz nachgehend in dieser Welt, wo der Unschuldige nicht bessere Behandlung erfährt als der letzte Bösling!
    Ich war niedergeschlagen und wie versteinert ob dieser Schicksalsdrohung. Welchen Unwägbarkeiten hatten wir drei uns da ausgesetzt? Bei den Pilgern bleiben wäre gefährlich, die Pilger verlassen nicht weniger gefährlich, denn hinter Carcassonne kamen die Corbières-Berge, wo die Räuberbanden lauerten. Mir fielen Verse aus dem Alten Testament ein: »Herr, man hat mich denen zugezählt, die da ins Grab fahren! Herr, die Bösen gedeihen wie das Gras! Herr, wie lange noch werden sie triumphieren und dein Volk zertreten?«
    Ich sprach ein kurzes Gebet und fühlte mich höchlich gestärkt, aber ratlos, war doch die Welt der Leiber, in der ich zu handeln hatte, nicht jene der Seelen. Gleichwohl hatte ich entschieden, Samson meine Befürchtungen zu verhehlen, weil ich im voraus wußte, daß der schöne Engel mir im Zeitlichen keine Hilfe sein würde. Miroul dagegen hatte den Kopf fest auf den Schultern und die Beine fest auf der Erde. Und wie mein Vater es mir angeraten, traf ich Vorkehr, ihn zu befragen. Ich zog ihn so weit abseits, daß Samson und die Pilger uns nicht hören konnten, und erzählte ihm alles.
    Er lauschte, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
    »Moussu«, hob er an, als ich geendet hatte, »Eure schöne Amme Barberine habe ich erzählen hören, daß Euer edler Vater und Monsieur de Sauveterre zu Zeiten, als sie den neuen Glauben noch nicht öffentlich bekunden mochten, eine List anwandten, um in Mespech die Messe zu hören, ohne es wirklich zu tun. Sie hatten in der Burgkapelle eine Luke aufgetan, welche die Stimme von Pfarrer Pincettes ins Obergeschoß leitete, hinauf in das Zimmer von Monsieur de Sauveterre. Weil Eurem lahmen Onkel der Treppenabstieg schwerfiel, hörten sie die Messe dort oben und fern dem Blick des Geistlichen. In Wahrheit sangen sie leise die Psalmen Davids …«
    »Ich habe die Öffnung gesehen, und mein Vater hat mir die Geschichte erzählt.«
    »Moussu, macht es wie Euer Vater, bedient Euch der List,

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