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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Geziertheit eingenommen, zuckte bei diesen wenig geschmackvollen Ausführungen nicht die Wimper (sie war wohl daran gewöhnt), sondern saß artig auf ihrem Schemel in ihrer maurischen Schönheit, erhobenen Hauptes, die Hände nun im Schoß verschränkt, dabei sie ihren Vater so unendlich achtungsvoll anschaute, als wäre er der vom Berge Sinai steigende Mose. Auch Luc (wie alle an diesem Tische gewohnt, zu hören und nicht gehört zu werden) war mucksstill, lauschte mit begierigem Ohr und fuhr von allem, was gesagt wurde, seine Beute und Ernte ein. Er ähnelte in seiner Häßlichkeit auf merkwürdige Weise dem Vater, nur eben daß er nicht schielte und die Schultern gleichmäßig hoch trug. In seiner Fleischeshülle aber war das gleiche Loderfeuer und der gleiche unlöschbare Durst; sein junges Leben kannte nur ein einziges Streben und Ziel: das gelehrte Wissen.
    Dies war ein Freitag, und da ich auf meinem Zimmer über dem
Organon
von Aristoteles saß, in welchem Traktat der Verfasser seine Logik darlegt, und diese Lektüre mich ebensosehr austrocknete wie die Hitze und Schwüle dieses Nachmittags, stieg ich wiederholt in die Spülkammer hinab, mir ein Glas frisches Wasser zu erbitten, das die Köchin Concepción mir so widerstrebend reichte, als koste es sie ihr eigenes Geld. Und sooft ich hinabstieg, überraschte mich der Trubel, der an diesem Tag im Hause herrschte; die Apothekergehilfen eilten hin und her, schleppten unter großem Geschepper Eimer, gossen Wasser über den Fliesenboden, schrubbten diesen mit großen Besen. Indessen Fontanette, die Wangen gerötet und das Mieder arg aufgeschnürt, atemlos Hemden bügelte für Mann undWeib, die sie dann von Stock zu Stock und von Zimmer zu Zimmer trug.
    Wieder setzte ich mich an mein
Organon
und irrte durch die kargen und schründigen Gefilde des Syllogismus, der großen und kleineren Prämissen, der großen und mittleren Begriffe, da klopfte es an die Tür, herein trat meine Fontanette, noch ganz gerötet von ihrer großen Bügelei, und dünkte mir nachgerade eine Oase in der Wüste.
    »Fontanette«, rief ich, »welche Freude, dich zu sehen, so frisch und geschmeidig, die Wangen wie Kirschen, und im Auge einen kleinen Schalk!«
    »Ha, Moussu, kein größerer Schalk als der Eure, wie vergeblich auch immer. Ich komme mir nackt vor, wenn Ihr mich so anschaut.«
    »Himmel, hätte mein Blick diese Gabe, ich würde dich den ganzen Tag lang anschauen. Aber tritt näher, Fontanette, laß dich begrüßen.«
    »Nein, mein edler Moussu, tu ich nicht. (Und indessen sie dies sagte, trat sie zwei Schritte zu mir heran.) Immer wollt Ihr mich küssen, und weil’s mir so großes Vergnügen macht, kann es wohl nicht gut sein. Aber darf ich Euch helfen, Moussu, den Tisch in Eures Bruders Zimmer zu tragen, damit Ihr dort morgen ungestört arbeiten könnt?«
    Ich machte große Augen.
    »Kann ich morgen nicht hier arbeiten?«
    »Das geht nicht, Moussu. Da kocht Ihr hier wie Hummer im Siedewasser. Jeden Sonnabend heize ich in diesem Zimmer groß ein.«
    »Heiliger Antonius! Feuer in meinem Zimmer! Im Juni! Bei dieser Hitze! Fontanette, was geht hier vor? Hat man hier den Verstand verloren?«
    »Weiß ich nicht, mein edler Moussu«, sagte Fontanette unschuldhaft. »Jedenfalls wird auf Befehl des hochrühmlichen Meisters Samstag für Samstag ein Feuer in Euerm Zimmer angemacht, sommers wie winters. Ich zünde es und unterhalte es, niemand sonst.«
    »Wie denn! den ganzen Tag?«
    »Am Morgen, zu Mittag und abends.«
    »Merkwürdig, aber sage mir auch: was ist der Grund für diese große Geschäftigkeit heute im Haus?«
    »So ist das jeden Freitag«, sagte sie und trat weitere zwei Schritte auf mich zu. Und als sie mir so nahe war, die Hüfte gegen den Tisch gelehnt, an dem ich saß, und auf den Wangen ein Rot, das nicht vom Bügeln herrührte, und ihr Atem immer heftiger ging, legte ich ihr meine beiden Hände um die Taille und drückte meinen Mund mit großer Begierde auf ihre hübschen Brüste. Und so mager und trocken mir die Logik des Aristoteles erschienen war, so füllig und saftig wollte mir Fontanette scheinen, indessen sie lachte und sich in meine Arme schmiegte, wie Butter in der Sonne hinschmolz. Leider war dieses Glück nicht von Dauer, plötzlich machte sie sich steif, stieß mich von sich, entwand sich meinen Armen.
    »Ha, mein edler Moussu!« sagte sie erschauernd und schnürte, wie von spätem Skrupel erfaßt, ihr Mieder zu, »wenn ich ertappt würde bei dieser Schäkerei

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