In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
ich möchte Eure Güte nicht mißbrauchen. Nicht ich muß zahlen, sondern die Dame, und die ist recht betucht.«
Die Thomassine lachte so herzhaft, daß ihr die Augen feucht wurden.
»Bei Gott, Moussu, Ihr gefallt mir! Ihr seid ehrlich wie ein blanker Dukaten! Und so hübsch! Und stolziert wie ein Hengst auf grüner Weide! So seien es also zehn Sols! Holt Eure Dame, ohne noch lange zu schmachten. Wo habt Ihr sie gelassen?«
»In der Kirche bei ihrer Andacht. Leider ist sie nicht die Meine, sie ist für meinen Bruder bestimmt. Wollte Gott, sie wäre die Meine, denn in den letzten zehn Tagen habe ich nur den Wind umarmt.«
»Wenn ich recht verstehe, seid Ihr auch da ganz ausgehungert«, rief die Thomassine lachend. »Aber ist die Dame Eures Bruders wirklich so schön, daß Ihr sie begehrt?«
»Oh, Madame, nicht halb so schön wie Ihr! Ganz fad wirkt ihr strohiges Blond, verglichen mit Eurem glänzenden Schwarz!«
Wieder lachte die Thomassine ihr helles, fröhliches Lachen. »Azaïs, hör dir diesen Schmeichler an! Und wie geübt er seine Zunge wetzt. Und der Blick, flammenlodernd! Azaïs, was tun wir mit diesem Ärmsten und seinem schreienden Hunger?«
»Ihn sättigen, Madame. Die Mildtätigkeit gebietet es. Auf den Panzen das Tanzen.«
»Das ist ein Wort!« Die Thomassine erhob sich, ihre Wangen loderten schon. »Monsieur, man rühmt Euch als tapfer. Hier steht Eure Zitadelle. Drauflos und gestürmt! Keine Gnade!«
»Aber Madame, ein Sturmangriff zu dieser Stunde? Und jene Dame, die da wartet?«
»Sie möge beten! zu Gott beten, denn sie wird ihm Beleidigung antun. Und je mehr sie betet, desto leichter wird ihre Seele sein, wenn das Vergnügen dann an der Reihe ist. Vorwärts, Moussu, ich will mir keinen Korb holen. Azaïs, schließdie Tür hinter uns. Und daß du mir nicht lauschst und nicht durch das Schlüsselloch spähst, sonst dresche ich dich heute abend wie grünen Roggen.«
Ich weiß nicht, wer wen ins Bett trug, ob die Thomassine mich oder ich sie, doch dort fanden wir uns im Nu wieder. Die Kleidungsstücke lagen wild verstreut, die roten Vorhänge dann zugezogen, und wir geborgen wie das Kind im Schoß der Mutter. Das Gesicht zwischen den prallen Brüsten dieses schönen Weibes, faßte ich in den Tiefen Wurzel, schwang mich jäh auf, so hoch hinaus, daß ich meinen verzückten Sinnen kaum glauben mochte. Ha! durchfuhr es mich auf dem Gipfel des Schwelgens, bin ich es, der hier liegt, so wohl gebettet und so wohl empfangen?
Nach diesen Wonnen, die allemal zu früh enden, galt es zu hasten. Ich eilte hinunter in die Kirche, wo ich die Dame Gertrude vor einer Statue der Muttergottes knien sah, anmutig in ihre Gebete vertieft, ihr schönes strohfarbenes Haar, das ich zu lästern gewagt hatte, dicht verschleiert. Sie hatte sich Maria zur Mittlerin erwählt, vielleicht weil sie meinte, daß eine Frau die in ihr streitenden Skrupel und Wünsche besser verstünde. Ich tippte ihr behutsam auf die Schulter, und als sie sich umwandte, sah ich kleine Tränen ihr schönes Antlitz nässen, sei es, daß sie Gewissensbisse hatte, oder meiner Verspätung wegen – sie sei fast verzweifelt vor langem Warten, sagte sie leise mit einem kläglichen Seufzer. Ich mochte keine Zeit vergeuden über Entschuldigungen und Höflichkeiten, ich hieß sie, mir in zehn Schritten Abstand zu folgen zu einer Dame und Freundin, was sie auch tat, dabei ihr Gesicht hinter einer Maske verbergend. So querten wir die Gasse von der Papistenkirche hin in das Nadelhaus, wo täglich ein ganz anderer Götzenkult zelebriert ward, der Götzenkult unserer vergänglichen Leiber. Ach ja! ich stimme dem zu: der Mensch sollte nur den Herrgott lieben. Doch können wir das, so wie wir gebaut sind und wie ER uns geschaffen hat? »So ich aber tue, was ich nicht will«, spricht der heilige Paulus, »so tue ich dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt.«
Als die Thomassine die Dame Gertrude du Luc puterrot und schamerfüllt vor sich sah, erkannte sie in ihr sogleich die Anfängerin und hatte Mitleid mit ihr, liebkoste sie, kredenzte ihreinen Becher Wein, befahl Azaïs, ihr das Blondhaar zu kämmen, parfümierte sie mit Moschusessenzen, die der Liebe bekanntlich förderlich. Um Gertrudes Sinne von den Höllenflammen abzuwenden, fragte sie glatt draufzu, was denn ihr Liebster für ein Mann sei. Hierauf in die Dame Gertrude (die stumm auf ihrem Sessel gesessen, gleichsam gelähmt von Furcht und Scham) plötzlich Leben kam und ihre blauen
Weitere Kostenlose Bücher