In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
davon nie gekauft wird?«
»Eben darum kauft Gehilfe Jean, der sowenig wie Fontanette Neuchrist ist, jeden Donnerstag beim Metzger ein Stück Schweinefleisch.«
»Was denn! Schweinefleisch in diesem Haus?«
»Es gelangt nicht auf den Tisch. Concepción weigert sich, es anzufassen, und da kocht Jean es ins Fressen der Hunde.«
»Ein großer Jammer! Ihr wißt ja, wie begierig ich darauf bin. – Aber wie kann Meister Sanche den ganzen Sonnabend ruhen und die Apotheke für die Kundschaft trotzdem offenhalten?«
»Samstags in aller Früh reitet er mit seinen maranischen Gehilfen und dem Zyklopen Balsa auf sein Landgut Montolivet, unter dem Vorwand, dort im Weingarten zu arbeiten. Er kehrt erst spätabends zurück.«
»Und die Apotheke unterdessen? Wer bedient da?«
»Der Gehilfe Jean und ich. Das sind schon zwei. Und ihrer drei werden es sein, wenn Samson unser Lehrling wird.«
Ich lachte ohne Verdruß, denn ich war gewiß, daß Samsons Interesse sich mit dem von Meister Sanche treffen würde, das ich bisher nicht gesehen hatte.
»Ja und Sonntag?« fragte ich.
»Das ist ein trauriger und peinigender Tag, den gepanzerten Neuchristen ein wahres Opfer! Ausgenommen Luc, der sich in den Tempel begibt, verfügt sich Meister Sanche mit den Seinen in großem Pomp zur Kirche Notre-Dame des Tables, wo er eine ganze Bankreihe innehat. In der Hand das römische Meßbuch,dessen Greuel ihm die Finger verbrennen, und die Lider gesenkt, um die Statuen, das Kruzifix, die Gemälde, die bunten Glasfenster und sonstigen Götzenbilder nicht sehen zu müssen, bittet er in seinem Herzen den Gott des Mose um Vergebung für seine Anwesenheit dort.«
Da ich stumm blieb, fragte Fogacer:
»Was sagt Ihr hierzu? Tadelt Ihr die Maranen wegen ihrer Verstellung?«
»Keinesfalls, das ist die Folge des Zwangs und der Tyrannei.« Sehr wohl erinnerte ich mich, daß Barberine und die Maligou auf dem Dachboden in Mespech insgeheim dem Marienkult huldigten: ein erzwungener Glaubenswechsel ist eben niemandem dienlich. Ich fügte hinzu: »Drohte man mir mit dem Scheiterhaufen, ich würde es genauso machen.«
»In meinem Falle«, sprach Fogacer lächelnd, »ist der Konditional überflüssig: ich mache es genauso. Und es kostet mich herzlich wenig. Einmal im Jahr gehe ich zu Beichte und Kommunion. Die Messe besuche ich jeden Sonntag. Ich bekreuzige mich vor den Kruzifixen. Bei Prozessionen entblöße ich das Haupt. Kurz, auch ich habe meinen Panzer. Der Unterschied zu den Neuchristen ist …«
Er ließ den Satz offen.
»Ja was?« forschte ich.
»Tja, unter meinem Panzer, da ist nichts.«
So erfuhr ich, daß Fogacer in Theologie wie in Philosophie ein Skeptiker war. Er glaubte lediglich an die Medizin, von der er manches auch in Zweifel zog.
Mir fiel ein, daß ich Samson holen müßte; ich verabschiedete mich von Fogacer, und er sagte:
»Nehmt Miroul mit, bewaffnet Euch und marschiert mit blankem Degen in der Mitte der Straße, eine Pistole im Gürtel.« Dann faßte er mich am Arm und flüsterte mir ins Ohr:
»Tho
massina
bona mulier est, et formosa et sana. Bene, bene!
1
«
Teufel! durchfuhr es mich, die ganze Stadt weiß Bescheid! Aber das soll mir einerlei sein! Und Miroul antreibend, eilte ich durch die Straßen und Gassen, um meine gute Gastgeberin wiederzufinden.
SECHSTES KAPITEL
Recht gehabt hatte Fontanette: ich konnte nicht den ganzen Samstag über dem
Organon
sitzen, die Hitze erstickte meine Geister, mochte mein Fenster auch sperrangelweit offenstehen. Glücklicherweise wurde Samson den ganzen Tag von zärtlich umschlingenden Armen festgehalten, und ich hatte sein Zimmerchen zur freien Verfügung, wo mich alle Stunde einmal Fontanette aufsuchte, mich umschwirrte wie der Schmetterling das Licht. Sie begehrte eifrig zu wissen, ob ich mich wohl fühlte und ob ich etwas brauchte. »Dich, Fontanette, dich brauche ich«, sagte ich. – »Pfui, mein edler Moussu, führt nicht solche Reden!« erwiderte sie und wäre doch recht betrübt gewesen, wenn ich anders gesprochen hätte. Bald kam sie mir nahe und erlaubte mir einige Küßchen, bald entzog sie sich und verweigerte sich, ganz nach Laune und jähem Drang.
Samson fand sich erst am Abend ein, träumerisch und mit wankem Schritt, als fiele es ihm nach dem Verlassen seines Paradieses schwer, auf unserer traurigen Erde wieder Fuß zu fassen. Unsere kalte Speise – es war der Sabbat unserer getauften Juden – aß er mit spitzem Mund. Gewiß aber hatte die großherzige Thomassine
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