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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Augen hell aufleuchteten: »Oh, gute Wirtin, so schön, so strahlend und so sanft ist er, daß der Himmel an Engeln gewiß nicht seinesgleichen hat.«
    Befriedigt darüber, sie mit einemmal so genesen zu sehen, enteilte ich und rannte in die Apotheke, den schönen Engel zu holen, von dem man nun freilich nichts Engelhaftes erwartete. Wohlweislich hütete ich mich, ihm zu verraten, wohin ich ihn führte und was er zu sehen bekäme. Ich wollte nicht wieder streiten müssen und baute darauf, daß der Anblick der Dame seine heldischen Entschlüsse zunichte machen würde. Und in der Tat, die Wirkung war umwerfend: als Samson die Dame Gertrude im Nadelhaus vor sich stehen sah, wurde er kreidebleich und fiel glatt in Ohnmacht. Ich gab ihm kleine Klapse auf die Wangen, darauf Gertrude ihm dann kleine Küsse drückte, und beides wirkte Wunder: sein bleiches Antlitz nahm wieder Röte an, er schlug die Augen auf und starrte die Dame so beseligt an, daß ich gerührt war von so edlem, heftigem Gefühl. Hierauf ich mich zurückzog und sie die Riten ihrer großen Liebe zelebrieren ließ.
    Im Laufschritt eilte ich zur Apotheke, denn es war fast schon Mittag; ich mochte Meister Sanche nicht kränken durch etwaige Verspätung. In jenem Juni herrschte so gewaltige Hitze in Montpellier, daß die Bewohner von Haus zu Haus Schnüre gespannt hatten, daran schattenspendende Zweige und Binsen hingen; auch hatte jeder das Pflaster vor seiner Tür mit Wasser besprengt, das aus Brunnen oder Zisternen kam (denn in Montpellier gibt es nur eine einzige Quelle, die von Saint-Gély). Aber sogar durch die Zweige brannte die Sonne gewaltig auf die Häupter und Schultern der Passanten nieder, die das freilich wenig zu scheren schien, sie schlenderten in den schattigen Gäßchen umher, lachten und schwätzten, Burschen und Mädchen wechselten Blicke. Hingegen ich ganz erschöpft und verschwitzt war, als ich die Behausung von Meister Sanche erreichte.Die Glocke tönte, im Saal standen schon alle um den Tisch und harrten des hochrühmlichen Meisters, den irgendein Tun in seiner Offizin zurückgehalten haben mochte.
    »Wo steckt Euer hübscher Bruder?« frage Fogacer.
    »Ich habe ihn in den
Drei Königen
bei einem Römling gelassen, der ihn zum Essen einladen wollte.«
    »Und Euch hat er nicht eingeladen?«
    »Nein, hat er nicht«, sagte ich kurz angebunden. Ich wollte dieser Rede ein Ende machen, weil Typhème schon die Ohren spitzte.
    Majestätisch erschien endlich der hochrühmliche Meister, und gleich fragte auch er nach Samson, ohne indes über meine hinkende Entschuldigung zu stolpern. Er entledigte sich schweigend seiner schwarzen Seidenrobe und tauschte die Quastenmütze gegen das Käppchen ein. Dann stimmte er sein befremdliches
benedicite
an.
    »Mein lieber Neffe«, sprach er, als Fontanette die Mittagssuppe aufgetragen, »ist es etwa, weil Ihr einen so abenteuerlichen Morgen hattet, daß Ihr, obwohl nüchternen Magens, ohne jeden Appetit Eure Suppe löffelt?«
    Er musterte mich mit durchdringendem Blick.
    »Keineswegs, keineswegs, hochrühmlicher Meister«, sagte ich, dabei meine Wangen rot anliefen und Typhème mich neugierig aus dem Augenwinkel betrachtete. Und noch mehr errötete ich, als Meister Sanche zu erzählen anfing und meine Unterredung mit Monsieur de Joyeuse als auch meinen Kampf mit Caudebec so getreulich wiedergab, als wäre er zugegen gewesen. Ich hegte keinen Zweifel, daß er auch den weiteren Fortgang kannte, und verhielt mich mucksstill; jäh ging mir auf, was Fogacer mir bestätigen sollte: bei den getauften Juden waren alle Neuigkeiten blitzschnell herum, denn diese braven Leute lebten in der Furcht, daß ein Volksauflauf oder Verhetzung durch die Priester, wie einst in Spanien, ihr Hab und Gut gefährden könnten.
    »Wo immer Samson jetzt sein mag«, sprach Meister Sanche nach kurzem Schweigen, »ich wünsche ihm, daß er dabei glücklich ist. Er darf sich nicht nur seines Fleisches rühmen, er hungert auch danach, Gutes zu tun, sein Herz ist lauter wie der blaue Himmel, und er empfindet große Liebe für das Menschengeschlecht. Ich bin von beidem sehr berührt: von seinerüberwältigenden Schönheit wie auch von seiner einzigartigen Tugend.
Gratior et pulchro veniens in corpore virtus.
1 «
    Dieses Loblied auf Samson bewegte mich so sehr, daß mir Tränen in die Augen drängten.
    »Jedoch«, fuhr der hochrühmliche Meister fort, dabei er mich ernst und zugleich spöttisch musterte, »Samson fehlt der wache Verstand und

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