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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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und man es Dame Rachel erzählte, sie würde mich aus dem Haus jagen!«
    »Ist das der Grund, weshalb du mich nicht berühren darfst? Du würdest deine Stelle verlieren? Einiger Küßchen wegen? Fontanette, soll ich das glauben?«
    »Aber gewiß, Moussu, glaubt mir, es ist die Wahrheit. Dame Rachel mag mich nicht. Ich bin, sagt sie, aufsässig und bockig, auch bin ich nicht Maranin, wie alle hier im Haus mit einer Ausnahme.«
    »Warum behält sie dich dann überhaupt?«
    »Der hochrühmliche Meister hat eine Schwäche für mich.«
    »Eine Schwäche! und wie weit geht die?« fragte ich lachend.
    »Nicht so weit, wie Ihr gehen möchtet, mein edler Moussu«, sagte sie mit neckischem Lachen, machte eine Verbeugung und huschte davon, leicht wie ein Vogel; zurück blieb ein Zimmer, das ohne sie ganz traurig wirkte und ganz grau, trotz strahlender Sonne. Mit rechtem Widerstreben nahm ich mir die Logik vor. Heiliger Antonius! durchfuhr es mich, indessen ich von der »großen Prämisse« zur »kleineren Prämisse« schritt bis zur Schlußfolgerung: was bedarf es denn eines Syllogismus, um zu entdecken, daß Sokrates sterblich ist? War das nicht klar noch vor allem Räsonieren?
    Die Glocke zum Abendessen erlöste mich vom
Organon
, und wenig genährt von dieser »hohlen Speise«, eilte ich die Treppe hinab, um den noch nicht zurückgekehrten Samson wenig besorgt, weil ich wußte, wie leicht einer in solchen Wonnendie Zeit vergißt. Groß aber war meine Verwunderung, als ich unten das ganze Haus hell erleuchtet fand, mit neuen Kerzen überall, obwohl die alten tags zuvor gar nicht bis auf den Grund abgebrannt waren. Ich wollte meinen Wirt indes nicht fragen nach dem Wieso dieser verschwenderischen Illuminierung, auch nicht nach anderen Merkwürdigkeiten, die mir an diesem Tage aufgefallen waren, oder gar dem Feuer, das Fontanette am nächsten Morgen, im glutheißen Monat Juni, auf meinem Zimmer anfachen sollte. Als ich nach dem kargen Mahl mit Fogacer auf der Terrasse saß, dort die Kühle genoß und wir im zur Neige gehenden Tag die Stadt betrachteten, teilte ich dem Bakkalaureus meine Verwunderung mit.
    »Ah, Siorac, es ist an der Zeit, daß Ihr es erfahrt, da Ihr nun mal, wie ich, hier Herberge habt«, sagte Fogacer. »Die Maranen sind Schildkröten.«
    »Schildkröten?« rief ich.
    »Ja, Schildkröten, deren Panzer die heilige katholische apostolische römische Kirche ist, eben jene, die einst in Portugal und Spanien die getauften Juden grausam verfolgte. Gezwungen, den Glauben ihrer Tyrannen anzunehmen, haben sie daraus einen Schild gemacht gegen neuerliche Unterdrückung. Unter diesem Panzer, der ihnen auf dem Buckel lastet, sie jedoch auch schirmt, schlägt ihr Schildkrötenherz, das hebräisch geblieben ist und treu ihrem alten Glauben. So erklären sich all diese Merkwürdigkeiten, die Euch heute verwundert haben. Der morgige Sonnabend ist für Meister Sanche der wahre Sabbat, und dies erklärt das große Treiben am heutigen Tag: die Säuberung des Hauses, den Wechsel der Weißwäsche und das hell erleuchtete Haus.«
    »Und das Feuer morgen in meinem Zimmer?«
    »Tja, das ist noch feiner gesponnen!« sagte Fogacer mit einem Lachen. »Einen besseren Einfall hätte selbst Odysseus nicht haben können. Wie Ihr wißt, darf ein Jude am Sabbat keine Berührung mit dem Feuer haben. Concepcións Herd bleibt den ganzen Tag erloschen, es gibt nur kalte Speisen. Das birgt große Gefahr. Es könnte irgendein Nachbar, der unserem Meister Sanche sein Glück neidet, Verdacht schöpfen, wenn er am Sonnabend zu den Mahlzeiten von unserer Dachterrasse keinen Rauch aufsteigen sieht, und diesen Verdacht den Priestern mitteilen. Die würden dann gleich zu schnüffeln anfangen. Und das ist nun die List: Euer Kamin und der Küchenkaminhaben denselben Abzug; Fontanette, die Christin ist und also mit dem Feuer umgehen darf, wird es zu den erforderlichen Zeiten in Eurem Zimmer anfachen und so genügend viel Rauch über unserem Dach erzeugen, daß unsere neutestamentlichen Nachbarn nicht aufmerken.«
    »Ah, die List gefällt mir, schon weil ich die papistische Unterdrückung verabscheue!«
    »Möge es Gott gefallen, daß Ihr dort, wo die Euren in der Mehrzahl sind, ebenso entschieden die hugenottische Unterdrückung verabscheut«, sagte Fogacer.
    »Dessen seid gewiß. Ein Eiferer bin ich nicht.«
    »Hab ich gemerkt.«
    »Aber dieses Schweinefleisch, das die Juden verabscheuen, obwohl es so schmackhaft ist – was denken wohl die Nachbarn, wenn

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