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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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die
Ahrprominenz darin: August Herold hatte beim Kammerpreis der IHK Koblenz die Kategorie Edelsüße Weine gewonnen, der
erste Platz bei den Spätburgundern war ans Weingut Schultze-Nögel
gegangen – die von Julius spendierten vier Flaschen hatten also ihren
Zweck erfüllt –, Hans-Hubert Rude musste sich mit den radikalen
Tierschützern von »Animal Peace« rumschlagen, die gegen den »Original
Rheinischen Sauerbraten« protestierten, die Weinbruderschaft kündigte ihr
öffentliches Sommerfest rund ums »Altenahrer Eck« an, Antoine Carême hatte eine
kleine Weinhandlung in einem Nebenraum des Restaurants eröffnet, und der liebe
Landrat Dr. Bäcker sollte doch tatsächlich das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Julius las sich die Artikel in aller Ruhe durch, während er genüsslich den Rest
des Frühstücks verspeiste.
    Etwas passierte mit Julius. Es war, als fülle sich sein Schädel mit
Gas. Doch es fehlte ein Funke zur Explosion.
    Dann las er die Zeitung noch einmal.
    In einer Ecke des Kopfes war ein Glimmen zu erkennen.
    Und ein letztes Mal.
    Bumm!
    Er sagte nur ein Wort.
    »Heureka …«
    Franz-Xaver erschien in der Tür.
    »Hast du was gesagt?«
    »Kannst du mir bitte die Zeitungen und Magazine bringen, die in dem
Korb neben dem Sofa liegen?«
    »Schon geschehen!«
    Julius nahm sich Stift und Papier aus der Nachttischschublade.
Franz-Xaver kam mit dem Gewünschten und legte es aufs Plumeau.
    »So, Maestro, jetzt muss ich aber selber mal Essen fassen.« Er
verschwand wieder.
    Julius begann. Es war nur eine Idee. Es waren nur Erinnerungen. Nun
hieß es sie zusammensetzen, sehen, ob sie ineinander griffen und ein Ganzes
ergaben, ein Bild. Das Bild des Mörders.
    Der Block wurde voller und voller. Mit Fragen und Antworten. Und es
wurden immer weniger Fragen und immer mehr Antworten.
    »Ja was haben wir denn hier?«, fragte Franz-Xaver, der plötzlich in
der Tür auftauchte. »Du kritzelst ja wie im Fieberwahn!«
    Julius sah ihn an. »Ich mache das Restaurant zu.«
    » Was ?!«
    »Heute Abend bleibt die Küche kalt.«
    »Sag mal, bist narrisch?«
    »Nein. Ich hab heut keine Zeit zum Kochen. Ich muss nachdenken.
Lange nachdenken.«
    »Du kannst doch net einfach die Leute vor den Kopf stoßen! Wir sind
komplett ausgebucht!«
    »Gib ihnen einen anderen Termin und sag, sie bekommen einen Aperitif
aufs Haus. Erzähl, ich bin krank, oder dass eine tragende Wand im Restaurant
eingestürzt ist. Mir egal.«
    »Du kannst sie wirklich net mehr alle
haben!«
    Julius nahm noch einen großen Schluck Tee. »So, und jetzt hau ich
ab! Muss doch den Mörder festnageln, oder?«
    Er fand Józef in einem der so genannten Polenzimmer des
Weinguts. Das waren Räume, die speziell für die Saisonarbeiter eingerichtet
waren. Spartanisch, aber sauber. Ein kleiner, ausgedienter Schwarzweißfernseher
flimmerte in der Ecke, während Józef seine Habseligkeiten in einem rissigen
Koffer verstaute.
    »Geht’s nach Hause, Józef?«
    Der Pole drehte sich nicht um, packte weiter seine Sachen zusammen.
»Was soll ich denn noch hier? Wo selbst die Hunde gemordet werden? Vielleicht
ist Józef der Nächste?«
    »Gibt es keine Arbeit mehr?«
    »Arbeit ist immer da, Herr Eichendorff, immer !
Aber von nun an ohne mich! Die Chefin ist nette Frau, aber kann nicht
verlangen, dass ich bleibe. Nein! Das war letzte Mal für Józef. Ist vielleicht
Fluch, der auf Gut liegt. Wer weiß …«
    »Dass du gehst, ist ein schwerer Verlust für den Betrieb.«
    »Schon so viele Verluste, so viele. Józef nur der kleinste.«
    Da hatte er Recht, dachte Julius. Da hatte er Recht.
    »Hast du schon Zeit für den großen Winterputz gehabt? In der neuen
Halle?«
    »Nein, keine Zeit da gewesen. Soll anderer machen. Tut mir Leid,
Herr Eichendorff, aber ich muss los. Zug geht um Punkt.«
    »Ich fahr dich.«
    Die Verabschiedung am Bahnhof fiel kurz aus. Julius war für so etwas
nicht zu haben. Er dachte darüber nach, Józef einen Hunderter zuzustecken,
hielt sich dann aber zurück. Geld hätte Józef nur in seinem Stolz verletzt.
    Erst kurz vor der Abfahrt stellte er ihm die Frage.
    »Weißt du noch, wer den Hund wiedergebracht hat, als er ausgebüxt
ist?«
    Und Józef sagte es ihm. Und Julius nickte. Das hatte er sich
gedacht. Der erste Nagel.
    Vom Bahnhof fuhr Julius direkt zur neuen Halle des
Schultze-Nögelschen Weinguts und durchsuchte sie. Besonders gründlich die
Traubenpresse, hob die in der Nähe liegenden Schläuche hoch, drehte die Eimer
um. Nichts. Julius wusste

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