In Vino Veritas
nicht, wonach er suchte, aber er kannte die Frage.
Wie hatte der Mörder Markus Brück in die Presse bekommen? Die Theorie der Polizei
sagte Waffengewalt. Das war möglich, aber unwahrscheinlich. Julius hatte noch
einmal darüber nachgedacht und war zu dem Entschluss gekommen, dass Brück den
Braten gerochen hätte. Er hätte versucht, den Angreifer zu überwältigen. Denn
der Kellermeister war nicht nur Fan des Bodybuildings, sondern auch von der Art
Actionfilmen, in denen der Held stets siegte. Mit ein paar Schrammen im
Gesicht, klaftergroßen Fleischwunden, vielleicht mit einem Unterschenkel
weniger, aber die lebenswichtigen Organe blieben schön unverletzt. Brück wäre
nicht einfach in den Tod gestiegen. Erst recht nicht, nachdem sein Chef zuvor
ermordet worden war. Er hätte den Täter angegriffen oder wäre geflohen. In die
Presse wäre er nicht gestiegen.
Julius beschloss, die Ecken abzugehen. Doch da fand sich nur
Schmutz. Das übliche Gemisch aus Staub, Blättern und Putz, das in Lagerhäusern
zu finden war. Julius quetschte sich durch die schmalen Zwischenräume, welche
die Stahltanks von den Wänden trennten, schaute unter die Paletten, klopfte
gegen die Fässer, um zu prüfen, ob sie voll waren. Die letzte Ecke lag vor ihm.
Er untersuchte sie, schon entmutigt, mit überhöhter Geschwindigkeit, rutschte
aus und fiel genau auf den Steiß.
Er hörte ein Kullern.
In Weingütern kullerte nichts.
Mit einer Hand die schmerzende Stelle am Rückenausgang befühlend,
kam er ächzend auf die Beine. Das Kullern verstummte. Er sah sich um. Aber der
Ursprung des Geräuschs war nicht zu entdecken. Julius musste wieder auf den
Boden. Es kostete ihn große Überwindung, sich mit dem Bauch auf den dreckigen
Beton zu legen und damit auch die Vorderseite seiner Kleidung zu verschmutzen.
Langsam senkte er seinen Körper auf Normalnull. Unter dem Rotovator leuchtete
etwas auf. Weiß. Das gehörte bestimmt nicht dorthin. Da Julius mit dem Arm
nicht heranreichte, stand er auf, nahm sich den nahe am Eingangstor lehnenden
Besen und gab dem weißen Etwas einen Schubs. Es kullerte. Und kullerte. Und
kullerte schließlich auf der anderen Seite hervor. Julius sprang auf und nahm
es in die Hand. Zu spät fiel ihm ein, dass er das besser nicht getan hätte.
Wenn sich die Fingerabdrücke des Mörders darauf befanden, so hatten sie gerade
Gesellschaft bekommen.
Julius ließ den Gegenstand in ein Taschentuch fallen und besah ihn
wie Gestein von einem anderen Stern.
Was hatte ein Golfball hier zu suchen?
Er blickte auf die in der Nähe stehende KVT Maxipress und wieder auf den Golfball. Er musste nicht lange grübeln, bis er
die Antwort wusste. Es war die gleiche wie auf die Frage, warum Markus Brück in
die Traubenpresse gestiegen war.
Der zweite Nagel.
Julius musste sie rufen lassen. Das bedeutete mehr
Aufsehen, als ihm lieb war. Überrascht kam sie auf ihn zu.
»Herr Eichendorff! Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so bald wieder
spionieren kommen!«
Leider, dachte Julius, lag sie damit richtiger, als ihr bewusst war.
»Kann ich dich sprechen? Unter vier Augen?«
Uli nickte der Kollegin am Empfang zu, die daraufhin den
Eingangsbereich verließ.
»Warum so geheimnisvoll?«
»Hast du die Mitgliederliste vom Golfclub im Kopf?«
Sie schaute ihn verwundert an, die junge Stirn in Falten legend.
»Dafür reicht der leider nicht aus. Aber wieso …?«
»Kann ich dir nicht sagen, wäre noch zu früh. Habt ihr die denn
irgendwo ausgedruckt?«
»Die Liste darf keiner einsehen, der nicht Mitglied im Verein ist.«
»Kann nur noch Stunden dauern, bis ich dazugehöre«, sagte Julius mit
einem Zwinkern.
»Und ich hatte schon gedacht, Sie möchten mich abwerben …«
»Deswegen wollte ich ein andermal kommen.«
»Und warum wollen Sie die Liste einsehen?«
Julius gab pantomimisch einen Pfeifenraucher.
»Jetzt verstehe ich! Sherlock Eichendorff, der kulinarische Detektiv
ist wieder unterwegs!«
Julius gratulierte ihr wortlos zu dieser Erkenntnis.
»Wer kann da schon widerstehen?«, fragte Uli mit larmoyantem Unterton.
»Niemand!«, antwortete Julius mit einem Lachen.
Uli sah sich um. Dann öffnete sie die Tür zu einem der Nebenräume,
lugte hinein und bedeutete Julius, ihr zu folgen. Es war das Büro aus dem
Ikea-Katalog: schmucklose, weiß lackierte Aktenschränke, ein grauer L-förmiger
Arbeitstisch, auf dem ein 20-Zoll-Monitor prangte.
Und ein paar Farne in der Ecke. Die beiden traten ein, und Uli schloss die Tür.
»Wir
Weitere Kostenlose Bücher