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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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Als die Spurensicherung da war, nach Siggis
Tod, haben wir uns in der Kelterhalle getroffen. Ich hatte gerade das Fass mit
dem Schriftzug umgedreht, damit kein Verdacht auf uns fällt. Hättest du der
Kripo nicht gesteckt, dass es da wäre – niemandem wäre es aufgefallen, und
wir hätten es später verschwinden lassen können. So waren wir genötigt, einige
Hebel in Bewegung zu setzen, damit niemand dumme Fragen stellt. Wir mussten ein
paar Gefallen eintreiben, die wir uns lieber aufgespart hätten.« Er nickte dem
Pitbull zu. »Ich fasse zusammen: Wir haben keinen der drei getötet. Und ich
verlange, dass du die Bruderschaft raushältst! Wenn nicht, Julius, kann es böse
für dich enden! Das ist die letzte Warnung! Noch bist du ein Bruder, aber dein
Ausschluss ist nahe. Und dann kann ich für nichts mehr garantieren! Wir haben
uns verstanden, Julius. Vorerst bekommst du nur einen Denkzettel.«
    Der Pitbull trat vor.
    Julius wollte nicht mehr an das Geschehene denken, es
ausradieren wie einen fehlerhaften Satz. Wieder zurück im Auto, fand er eine
Nachricht auf der Mailbox. Von Gisela. Er solle zum Neubau des Weinguts kommen,
es wäre etwas Schreckliches passiert. Julius hätte große Summen dafür
hingeblättert, wenn Gisela etwas präziser gewesen wäre. Aber das war alles, was
sie sagte. Und jetzt war sie nicht zu erreichen. Es war ständig besetzt, obwohl
er das Handy auf Wahlwiederholung geschaltet hatte. Julius machte es wie der
Pitbull, raste über die Straßen, bis das hell erleuchtete Gebäude links vor ihm
auftauchte. Nachts sah es noch mehr aus wie ein gelandetes Raumschiff, als
einziger erleuchteter Punkt im dunklen Weinberg. Das flackernde Blaulicht der
fünf Polizeiwagen tat sein Übriges dazu, den Eindruck einer außerirdischen
Invasion zu verstärken.
    Man hatte ihn wohl gehört, denn eine Frau kam auf ihn zugelaufen. Es
war Gisela. Sie fiel ihm in die Arme.
    »Ich halt das nicht mehr aus, Julius! Ich schaff das nicht mehr!«
    Von Reuschenberg tauchte hinter ihr auf. Auch sie wirkte geschafft,
ging nur schleppend. Ihre Wangen glänzten feucht. Sie strich beruhigend über
Giselas Schulter, wandte sich dann zu Julius.
    »Ich dachte, Sie wollten sich aus dem Geschäft zurückziehen?«
    »Ein vorschneller Entschluss, wie mir scheint. Außerdem war das nur Ihr Vorschlag.«
    Gisela trocknete sich die Tränen am Ärmel ihrer Bluse. »Schau es dir
an, Julius, schau es dir an. Aber ich bleib hier. Ich will das nicht wieder
sehen!«
    Julius blickte fragend zu von Reuschenberg, ob sie ihn begleiten
wolle. Aber sie schüttelte den Kopf.
    »Das tu ich mir nicht noch mal an! Ich hab ja schon einiges gesehen,
aber das hat mich wirklich unvorbereitet getroffen.«
    »Und? Haben Sie den Mörder schon gefasst?«
    Sie lächelte matt. »Abwarten. Noch ist er unter uns, sonst hätte er
ja nicht wieder zuschlagen können.«
    Noch ein Mord? Julius wollte nicht schon wieder eine Leiche sehen.
Markus Brück und Bernard Noblet hatten ihm gereicht. Für immer. Von
Reuschenberg sah sein Zögern.
    »Gehen Sie schon. Für Sie als Koch ist das wahrscheinlich halb so
schlimm.«
    Sie winkte ihn durch, wie ein Verkehrspolizist einen
Schwertransport. Julius ging näher auf das Eingangstor zu, die Stimmen dahinter
überschlugen sich. Ihnen war die Verwunderung anzumerken. War das Gemurmel in
der Kirche von einer meditativen Kraft durchdrungen gewesen, manifestierte sich
in diesem Stimmengewirr Ekel.
    In Julius kroch die Angst hoch. Er hatte nicht gedacht, dass nach
dem Gratis-Ausflug mit der Weinbruderschaft noch Reserven davon existierten.
    Die Halle war grell erleuchtet. Edelstahltanks warfen das Neonlicht
zurück, blitzten kalt. Eine grüne Menschentraube aus Streifenpolizisten hatte
sich gebildet, doch er konnte nicht erkennen, worum sie standen. Józef war auch
dabei und schüttelte den Kopf, hörte gar nicht auf damit. Julius tippte ihm auf
die Schulter. Józef schaute auf, aber kein erfreutes Lächeln umspielte seine
Lippen, kein Wort kam über sie. Er drückte Julius nur mit wenig Kraft in die
Menschentraube.
    Dann sah er es.
    Die Italcom Abbeermaschine Alfa 160/15 war das Zentrum des Interesses. Julius hatte
der Maschine nie besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Sie war dafür
verantwortlich, die Beeren von den Stielgerüsten zu trennen. Sie trennte das
wertvolle Gut ab, ohne es dabei aufzureißen. Allerdings hatte dieses Modell,
wie Siggi Julius einmal stolz erzählt hatte, eine
Quetsch-Nichtquetsch-Einrichtung. Man konnte

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