In Vino Veritas
kommen. Wir machen den Blauen Salon für sie auf.
Sagen wir, um acht.«
Er gab die Liste an Franz-Xaver, der die Namen laut vorlas und sie
einzelnen Mitarbeitern zuwies. Auf dem Papier fanden sich folgende Personen:
– Robert Stressner (Geschäftsführer der AhrWein eG)
– August und Christine Herold
– Hans-Jürgen Zimmermann ( IHK Koblenz)
– Gisela Schultze-Nögel
– Landrat Dr. Bäcker
– Restaurateurs-Stammtisch (Bassewitz, Prieß, Rude, Carême)
– Adalbert Niemeier (Telefonnummer über Herold, pensionierter Oberstudienrat)
– Erika Salbach (Pastoralreferentin Rosenkranzkirche)
»Das ist ja alles gut und schön«, sagte François, »aber was sollen wir den Herrschaften erzählen, warum sie so
kurzfristig kommen sollen? Die haben doch bestimmt alle schon was vor!«
François war sichtlich stolz auf seinen Einwand, von dem er annahm,
dass er den Plan ad absurdum führte.
Julius grübelte nur kurz.
»Erzählt ihnen, wir feiern unseren ersten Stern.«
Jubel brach aus, der so laut war, dass François um die Gesundheit
der ihm anvertrauten Weinflaschen fürchtete. Immerhin mussten sie nicht nur bei
konstanter Temperatur und hoher Luftfeuchtigkeit gelagert werden, sondern auch
erschütterungsfrei.
»Könntet ihr bitte ruhig sein! Der Wein schläft!«
Einige Kollegen konnten ein Lachen nicht unterdrücken.
»Ich muss da leider etwas klarstellen«, war kleinlaut von Julius zu
hören. »Wir haben natürlich keinen Stern bekommen. Das ist nur eine
Finte …«
Enttäuschtes Grummeln erklang. Es war wieder jemand aus den hinteren
Reihen, der rief: »Dann wird’s wohl nix mit der Gehaltserhöhung!«
»Ihr Fetznschädl arbeitet erst mal besser, bevor ihr nach einer
Gehaltserhöhung fragt!«, sagte Franz-Xaver.
Gelächter brach aus.
»Das musst du gerade sagen!«
Franz-Xaver hatte die Augen offen gehabt. »Ich hab genau gesehen,
dass du des warst, Tilman Schlothauer! Du kannst morgen eindecken!«
»Immer ich …«
Julius stand auf. »So, und jetzt alle raus hier! François hat Recht,
ihr seid schlecht für den Wein. Treibt auch langsam die Temperatur hoch. –
Noch etwas zu den Telefonaten: Sagt allen, mir wäre ihr Besuch unglaublich
wichtig, und Essen und Getränke gingen natürlich aufs Haus. Wenn es dann noch
nicht langt, erzählt, es sei Presse anwesend. Stimmt zwar nicht, aber wenn sie
das merken, ist es zu spät.«
Die Karawane zog weiter, der Sultan hatte immer noch Durst und goss
sich den letzten Rest »Gemma« ein. Franz-Xaver blieb bei ihm.
»Und du denkst, dein Plan – den du mir ja
net erklären willst – funktioniert?«
Julius drückte seinem Maître d’hôtel die leeren Flaschen plus Korken
und Glas in die Hand, um mit einem Taschentuch den kleinen Tisch abzuwischen.
Was natürlich vollkommen unnötig war.
»Es ist nur der Plan eines kleinen Kochs. Aber wenn der sich auf
seine großartigen Mitarbeiter verlassen kann, wird’s schon werden.«
Mit jedem Schritt hinauf in den Restaurantbereich war
Julius stärker der Farbe ausgesetzt, die er in der letzten Zeit viel zu oft
gesehen hatte. Blau. Aufblinkendes Blau. Ausgesandt von Polizeifahrzeugen.
Julius’ Mannschaft stand an den Fenstern wie beim Rosenmontagszug. Als ihr Chef
kam, machte sie einen Platz frei. Julius konnte zwei Streifenwagen sehen. Am
vorderen stand von Reuschenberg. Ein Polizist kam aus dem Restaurantgarten. Er
hielt eine durchsichtige Plastiktüte in Händen, aus der ein Stück Holz
hervorlugte. Julius sah alles wie in Zeitlupe, denn während es geschah, wurde
ihm klar, was es bedeutete.
Der Beamte ging auf von Reuschenberg zu, blitzlichtartig erhellt vom
Blaulicht der Einsatzfahrzeuge. Er gab ihr das Stück Holz, vorsichtig, wie
einen kostbaren Schatz. Von Reuschenberg schaute es sich an. Die Rinde
abgewetzt. Oder abgenagt. Die Kommissarin besah sich lange das in der
transparenten Plastiktüte steckende Ende. Dann nickte sie und schlug den Weg
zum Restaurant ein.
Die Bilder wurden wieder schneller.
Als von Reuschenberg an der Tür klingelte, war Julius wieder im Hier
und Jetzt.
Er öffnete selbst.
»Haben Sie das schon einmal gesehen?«
Julius schüttelte den Kopf.
»Wissen Sie, was das ist?«
Er nickte.
»Können Sie sich denken, wo wir das
gefunden haben?«
Julius brachte die Antwort erst nach einigen Sekunden über die
Lippen.
»In meinem Garten.«
Von Reuschenberg hob die Plastiktüte hoch, so dass die Blutflecken
genau auf Augenhöhe waren.
»Und jetzt
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