In Vino Veritas
herausfinden, mit welcher der anderen sie noch am
ehesten konnte.
Nach und nach gelang es ihm, Frieden zu stiften.
So konnte er nun einen neuen Kessel aufsetzen und die Kamillenblüten
klein hacken. Julius jagte das Wiegemesser wie ein Besessener durch die Blumen.
Ihm war das Ziel klar, er wollte den Mörder aus der Reserve locken.
Er wollte ihm Feuer unter dem Hintern machen, aber nicht mittels Chili und
Sambal Oelek, sondern durch die Bedeutung der
Lebensmittel. Die Speisen sollten die Indizien enthalten, die Tatwaffen, die
Beweise. In essbarer Form. Würde der Mörder sie sehen, würde er wissen, dass
Julius ihm auf die Schliche gekommen war. Dann würde er Stellung beziehen
müssen.
Der Dampf hing wie ein drohendes Gewitter über der Küche. Julius
stand der Schweiß auf der Stirn. Er hatte erst drei der fünf Gänge zusammen.
Er nahm noch einmal die Liste zur Hand, die er im Keller geschrieben
hatte. Was galt es noch unterzubringen? Baumkuchen, Kaninchen … und
dazu … Er hatte sich keine Gedanken über die Weine gemacht!
Julius lief nach Hause, schnappte sich Herrn Bimmel, setzte sich in
seinen Lieblingssessel und wartete auf Eingebungen. Der Kater war zuerst
verwirrt und sprang von Julius’ Schoß, beschloss dann jedoch, die unverhoffte
nächtliche Chance zu nutzen und sich von seinem Ernährer kraulen zu lassen. Und
die Weine kamen zu Julius wie Träume zu einem Schlafenden. Ein Wein von
Schultze-Nögel musste natürlich dabei sein, einer von Herold und zum
Schluss … kein Wein, ein Trester! Schließlich wurde dieser Brand aus dem
gemacht, was in der Presse zurückblieb, wenn die Trauben ihren Saft vergossen
hatten. In genau so einer Presse, in der Markus Brück sein Ende gefunden hatte.
Julius trug Herrn Bimmel in die Küche und gab ihm eine große Portion
Futter. »Gut gemacht, Dicker!«
Nach einem kurzen Ausflug in den Weinkeller, um die nötigen
Bouteillen zu holen, kreierte Julius in der Küche mit neuem Schwung –
unter Zuhilfenahme des ein oder anderen Probeglases – die letzten
fehlenden Gerichte und machte die Probe aufs Exempel. Julius fraß sich durch
sämtlich Speisen und soff zu jeder den passenden Wein, bis er sich nicht mehr
auf den Beinen halten konnte.
Das dauerte bis zum Morgen.
Dann hatte er alles kulinarische Gold gewonnen, das er für den Abend
brauchte.
Julius wandelte wie eine leere Hülle nach Hause, den Weg ins Bett
nehmend wie den Aufstieg zu einem Achttausender. Jeder Schritt war schwerer als
der vorherige. Doch schließlich erklomm er den Mount Himmelbett. Julius zog
sich aus und legte alles ordentlich an seinen Platz, bevor er rücklings ins
weiche Plumeau sank.
Als er am Nachmittag erwachte, war sein Kopf breiter als
der Rhein bei Bingen. Jetzt hieß es fit werden. Julius wusste nicht, wie Boxer
sich auf einen großen Kampf vorbereiteten. Aber er wusste, was Köche zu tun
hatten. Ein Abend in einer heißen Küche, mit vollem Haus und viel Stress –
da war eine gut geölte Stimme Grundvoraussetzung. Die hatte er bereits. Durch
viele Abende in einer heißen Küche, mit vollem Haus und viel Stress.
Am Tag selbst ging es darum »vom Kopf her mental gut drauf zu sein«.
Julius schaffte das, indem er sich pflegte, es sich gut gehen ließ. Er nahm als
Erstes ein heißes Bad. In Milch. Oder zumindest in einem Pulver aus einem
Beutel, dessen Aufschrift andeutete, bei Kontakt mit Wasser verwandele sich der
weißliche Inhalt in Milch. Oder etwas Ähnliches. Naturidentisches.
Es sah aus wie verdünnte Milch.
Es war so cremig wie Milch.
Es roch wie Milch. Vielleicht mit einem Löffel Honig drin. Julius
fühlte sich wohl wie Kleopatra zu ihren besten Zeiten. Er spielte mit den Zehen
U-Boot-Auftauchen. Für das Haar nahm er sein bestes Shampoo, das er nie
benutzte, weil es so wahnsinnig teuer gewesen war. Heute drückte er es
großzügig in die Handfläche. Heute würde er duften wie eine Frühlingswiese!
Nach dem Frühstück ging es zum Frisör, wo er sich den verbliebenen
Haarkranz in absolute Topform bringen ließ. Und weil er gerade da war, ließ er
sich aufs Feinste maniküren und pediküren.
Aber all das konnte die Angst nicht vertreiben.
Die erste Hiobsbotschaft traf Julius, als er danach das
Restaurant wieder betrat. Franz-Xaver kommandierte atemlos seine Brigade und
warf Julius die Nachricht zwischen zwei gebellten Befehlen ins Gesicht.
»Der Bäcker hat grad abgesagt!«
»Was soll das heißen?«
»Sein persönlicher Referent hat angerufen und gesagt,
Weitere Kostenlose Bücher