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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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gern sein wollte, oder besser noch, wie er dachte, dass ich sei, weil ich so war, wie ich … – egal! Hauptsache, er liebte mich überhaupt.
    »Du meinst, Hauptsache einen Freund«, sagte meine Schwester, als ich ihr meine Gedankengänge am Telefon darlegte. »Egal um welchen Preis.«
    »Nein! Das meine ich nicht.«
    »Liebst du diesen Leo denn wirklich? Oder liebst du nur, dass er dich liebt?«
    »Hä?«
    »Tu nicht so dumm. Du weißt genau, was ich meine.«
    »Ja, ich liebe Leo«, sagte ich und legte so viel Pathos wieirgend möglich in meine Stimme. »Und er liebt mich.« Und wenn ich ihm irgendwann mal, also bei der richtigen Gelegenheit, sagen würde, dass ich mich auch in Geophysik und Meteorologie auskannte und als Siebenjährige – was für ein Zufall – mit dem ›Fröhlichen Landmann‹ bei ›Jugend musiziert‹ in der Sparte Tasteninstrumente gewonnen hatte, dann würde er sicher lachen und sagen: »Aber warum hast du mir das denn nie erzählt? Das ist doch super!«
    Ganz bestimmt.
    Meine Schwester seufzte nur.
    »Es gibt für alles zwei Zeitpunkte, den
richtigen und den verpassten.«
    Stan Nadolny

    Zwei Monate später hatte es die richtige Gelegenheit immer noch nicht gegeben. Dafür wurde Leos Großmutter väterlicherseits siebzig, und Leo bestand darauf, mich zu der Feier mitzunehmen und mich bei der Gelegenheit diesem Zweig seiner Familie vorzustellen.
    »Keine Sorge, mein Vater wird nicht da sein«, sagte er, als ich zögerte. »Er ist wohl in Madrid, jedenfalls kam da seine letzte Postkarte her. Aber meine Schwestern kommen und mein Onkel Thomas, außerdem jede Menge Kölner Politprominenz, denn mein Opa war jahrzehntelang politisch aktiv und sogar zweimal stellvertretender Bürgermeister der Stadt. Ich würde dich wirklich gern meinen Großeltern vorstellen. Und Großtante Jutta. Sie ist ein Original.«
    Kölner Politprominenz, Großtante Jutta und Onkel Thomas klangen für mich nicht verlockend, und auch auf eine neuerliche Begegnung mit Leos Schwestern war ich nicht wirklich scharf. Aber es gehörte zu meiner Rolle als ganznormales, nettes Mädchen von nebenan, dass ich unkompliziert und für jeden »Spaß« zu haben war, also sagte ich, dass ich gerne mitkommen würde.
    Leo freute sich und sagte, ich solle mir keinen Stress wegen der Klamottenauswahl machen. Sofort bereute ich, dass ich zugesagt hatte.
    »Hauptsache, keine Jeans«, sagte Leo. »Und vielleicht machst du was mit deinen Haaren.«
    »Was stimmt nicht mit meinen Haaren?«, fragte ich leicht panisch.
    »Mit deinen Haaren ist alles in Ordnung. Es ist nur so, dass ein Pferdeschwanz mehr was für den Tennisplatz ist als für eine Feier dieser Art. Meine Großmutter ist bei so was immer ein bisschen pingelig. Haare, Fingernägel und Schuhe – auf so was achtet sie.«
    Jetzt bekam ich richtig Angst.
    »Ich leih dir was«, sagte meine Schwester. »Und ich mache dir die Nägel. Weißt du, man muss die nicht immer nur alle paar Wochen bis auf die Kuppe abschneiden, es gibt da so Dinger, die heißen Nagelfeile, und man kann sie täglich benutzen.« Mimi und Ronnie hatten in der Zwischenzeit ein Haus in Köln gekauft, und nach einem halben Jahr Abstinenz genoss ich es sehr, endlich mal wieder jemanden von der eigenen Familie um mich herum zu haben. Obwohl die beiden beruflich sehr eingespannt waren und ich vom Studentenwohnheim – via zwei Straßenbahnlinien – über eine halbe Stunde zu ihnen benötigte, sahen wir uns beinahe täglich.
    Natürlich waren Mimi und Ronnie ganz scharf darauf gewesen, Leo kennen zu lernen, aber ich hatte ihn erst zum Essen mitgebracht, nachdem sie mir beim Leben ihres ersten Kindes versprochen hatten, nichts zu sagen, was meinem Image als »Nicht-Freak« hätte schaden können. Vor allem Ronniefragte nämlich aus heiterem Himmel gern mal so Sachen wie: »Was versteht man eigentlich noch mal genau unter Ionosphäre , Carolin?«

Ich musste mir zwar eine Menge Predigten à la »Wenn du dich nicht traust, ihm alles über dich zu erzählen, dann stimmt doch was nicht« und »Ein Mann, der dich nicht so liebt, wie du wirklich bist, ist es auch nicht wert, dass du … blablabla« anhören, aber dann versprachen sie doch, mich nicht zu »blamieren«.
    Wie immer kochten sie hervorragendes Essen und waren überhaupt die allerbesten Gastgeber. Ronnie verplapperte sich nur einmal, als er mich spontan in seine Renovierungsüberlegungen mit einbezog: »Also: Die Fliesen sollen vierundsiebzig Euro neunzig den

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