In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück
ich erst eine andere Sache zum Abschluss bringen.
Leo war nicht gerade erfreut, als ich anrief und ihm sagte, wir müssten uns treffen, und zwar so schnell wie möglich.
»Ich arbeite, Carolin – ich kann hier nicht einfach weg.«
»Na gut, dann sage ich das Kennwort für den Safe wohl doch besser deinem Onkel Thomas«, sagte ich. »Er hatte nämlich die durchaus verlockende Idee, dass wir den Safe heute Abend gemeinsam leer räumen und euch nichts davon sagen.«
»Du weißt das Kennwort?«
»Natürlich«, sagte ich. »Wir treffen uns in einer halben Stunde vor der Villa, in Ordnung?«
»Ja«, sagte Leo. Über seine Unabkömmlichkeit bei der Arbeit ließ er nichts mehr verlauten.
Die Villa seiner Großeltern lag im Schatten der alten Bäume und war so schön und verwunschen wie eh und je. Ich konnte Leos Verlobte gut verstehen, dass sie hier wohnen wollte. Es war ein absolutes Traumhaus. Es war eine Schande, es so lange leer stehen zu lassen. Immerhin sah der Garten sehr gepflegt aus, der Rasen war gemäht, die Hecken waren geschnittenund in den Beeten blühten elegante dunkellila Tulpen über einem Meer wogender Vergissmeinnicht.
Ich setzte mich auf die Stufen, die zur Haustür hinaufführten und dachte an den Tag, an dem ich Karl das erste Mal hier gesehen hatte. Der Tag, an dem sich mein Leben so grundlegend verändert hatte. Ich hatte gedacht, so einen Tag würde es immer nur einmal im Leben eines Menschen geben. Aber seit Karls Todestag wusste ich, dass das nicht stimmte.
Leo parkte seinen Wagen in der Einfahrt und stieg aus. Von Weitem sah er aus wie Karl, aber nur auf den ersten Blick. Sein Gang war ganz anders, viel steifer, da war nichts von Karls crocodile-dundeehafter Lässigkeit. Und Karl wäre wohl eher gestorben, als sich einen derart militärisch kurzen Haarschnitt verpassen zu lassen. Noch ein paar Jahre, und die Ähnlichkeit würde vermutlich ganz schwinden. Wie sagte meine Mutter immer: »Wie dein Gesicht mit vierzig aussieht, liegt ganz bei dir.«
»Wartest du schon lange?«
»Fünf Minuten, höchstens.« Ich stand auf und klopfte mir den Staub vom Rock. Er war neu, und er war lila kariert, weil ich etwas Passendes zu den lila Pumps gebraucht hatte.
»Iiih, pfui, was hast du denn da unter dem Arm?«
»Das ist »Nummer zweihundertdreiundvierzig«, sagte ich. »Der geliebte Hund deiner Großtante Jutta.«
»Tatsächlich? Die biestige kleine Töle? Es hat was länger gedauert, weil ausgerechnet, als ich gehen wollte, Onkel Thomas angerufen hat.« Leo schloss die Haustür auf, machte zwei Schritte in den Hausflur und deaktivierte die Alarmanlage. »Er sagt, er habe ein handschriftliches und amtlich beglaubigtes Testament von Tante Jutta vorliegen und wolle seinen Anteil nun einklagen. Es sei denn, ich würde mich doch noch außergerichtlich mit ihm einigen und ihm ein bestimmtes Gemälde überlassen.«
»Da bist du aber günstiger weggekommen als ich«, sagte ich. »Von mir wollte er die Hälfte vom Safeinhalt. Allerdings war er auch mit dem ganzen Inhalt einverstanden. Er hatte vollstes Verständnis dafür, dass mir Geld nicht so wichtig ist.«
»Wenn Tante Jutta ihn wirklich in ihrem Testament bedacht hat …«
»Hat sie nicht«, sagte ich. »Sie wollte alles ihrem geliebten Tommi hinterlassen.«
»Aber …«
»Tommi ist der Name von »Nummer zweihundertdreiundvierzig«, sagte ich und hielt Leo den Foxterrier unter die Nase. »Siehst du? Der Name steht hier eingraviert. Aber mal abgesehen davon, dass Tiere nicht erben können – leider hat der liebe Tommi noch vor Tante Jutta das Zeitliche gesegnet, sodass ihr gesamter Besitz an ihren nächsten Verwandten ging, deinen Großvater. Und der hat das alles deiner Großmutter vermacht. Und die hat es Karl vermacht. Furchtbar, wie viele Hunde und Menschen innerhalb von nur vier Jahren sterben können, oder?«
Leo guckte verblüfft. »Und da bist du dir ganz sicher?«
»Mit dem Hund? Absolut«, sagte ich. »Du wirst doch wohl noch wissen, dass der Hund Tommi hieß, oder? Das weiß ja sogar ich, und ich habe deine Großtante nur ein einziges Mal getroffen. Niemand wollte deinem armen Onkel Thomas etwas vererben. Sie waren alle angenervt, weil er ihnen ständig Geld aus den Rippen leierte. Dein Großvater hatte ihn schon vor Jahren enterbt, was aber nicht heißt, dass er ihm nicht doch weiterhin Geld gegeben hat. Mit diesem Testament möchte er nur bluffen, damit wir doch noch was rausrücken, das er zu Geld machen kann.«
»Und dabei
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