In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück
Thomas lehnte sich lässig gegen eine Straßenlaterne. »Ich sagte dir ja bereits, dass die Dinge eigentlich mehr einen ideellen Wert für mich haben. Und da sind eben einigewenige Sachen aus Tante Juttas Nachlass, an denen mein Herz hängt. Die Schnupftabaksdose beispielsweise, ein paar Bilder, die Uhren von Cartier…«
»… die Ihrem Vater gehört haben …«
»… ja, und dann vielleicht noch die Girandole, die ich schon als Kind immer bewundert habe. Du musst Leo und meinen reizenden kleinen Nichten gar nichts davon sagen. Die kleinen geldgierigen Schlangen haben ohnehin ausgesorgt und booten dich aus, wo sie können. Du kannst mir die Sachen einfach geben – und wir gehen in Frieden auseinander und leben glücklich bis ans Ende unserer Tage.«
Ich tat, als würde ich ernsthaft darüber nachdenken. Onkel Thomas beobachtete mich aus wachsamen Augen.
»Da gibt es nur ein Problem«, sagte ich. »Die Schnupftabaksdose, der Schmuck und die Uhren sind bis heute nicht aufgetaucht.«
»Tja, da habe ich eine gute Nachricht für dich«, sagte Onkel Thomas. »Ich weiß zufällig , wo sich diese Dinge befinden.«
Ach nein.
»Und zwar in einem Safe im Haus meiner Eltern. Gesichert mit einem Kennwort aus elf Buchstaben. Dummerweise wurde die Firma, die diesen hirnverbrannten Safe hinter fetten Mauern in den Keller betoniert hat, schon vor vierzig Jahren aufgelöst. Und dummerweise gibt es keinen einzigen Schlüsseldienst in Nordrhein-Westfalen, der dieses Schloss öffnen kann.«
»Sie haben Schlüsseldienste gerufen, um den Safe zu knacken?«
Onkel Thomas zuckte mit den Schultern. »Einen Versuch war’s wert. Ich wette, mein reizender Neffe hat dasselbe versucht. Weil er ständig sein Auge auf diesem Ding hat, musste ich auch die Hände vom Schneidbrenner lassen. Dazu hat derkleine Bastard das Haus mit Alarmanlagen gesichert wie den Buckingham Palast. Weshalb mein Plan mit dem Einbrecher ebenfalls gescheitert ist.« Er lachte albern. »War natürlich nur ein Scherz. Aber – machen wir uns doch nichts vor: Allein mit dem Inhalt des Safes könnte man sich den Rest des Leben zur Ruhe setzen.«
»Oh«, sagte ich. »Dann ist es sicher von Vorteil, wenn man das Kennwort weiß, oder?«
Onkel Thomas Zungenspitze tanzte aufgeregt auf seinen Lippen hin und her. »Du weißt das Kennwort?«
Ich tat so als buchstabierte ich im Stillen ein Wort und zählte mit den Fingern mit. Dann nickte ich. »Elf Buchstaben, ja. Karl gebrauchte überall nur ein und dasselbe. Er konnte sich einfach kein anderes merken.«
Onkel Thomas brach in geradezu infernalisches Gebrüll aus. »Oh! Mein! Gott! Ich würde auf meine Knie sinken und dir die Füße küssen, wenn dadurch nicht meine Hosen schmutzig würden! Du hast das Kennwort! Sie hat das Kennwort!«
»Ja, natürlich«, sagte ich und konnte mir nicht verkneifen hinzuzufügen: »Warum hast du mich denn nicht einfach schon längst danach gefragt?«
Onkel Thomas sah aus, als habe er eine Ohrfeige bekommen. »Ja, warum habe ich das nicht getan?«, sagte er. »Aber es ist ja noch nicht zu spät. Jetzt können wir diesen verdammten Safe öffnen und uns den Inhalt teilen!«
Ich schüttelte den Kopf. »Ehrlich – ich möchte nichts davon haben. Das ganze Erbe ist für mich nur eine Last.«
Onkel Thomas starrte mich an. »Wirklich? Nun ja, umso besser. Ich meine, ich kann das verstehen, ja – Geld belastet nur, und … Du bist noch so jung und schön … Kein Problem, ich kann mich da ganz allein drum kümmern.«
Wie überaus selbstlos.
»Aber was ist mit Leo, Helen und Corinne?«
»Was soll mit denen sein? Nein, nein, Leo und die blonden Biester müssen nichts davon wissen. Weißt du, ich habe bisher nichts gesagt, um nicht noch mehr Zwietracht zu säen, aber die drei versuchen alles, um dir das Leben schwer zu machen. Und wenn man sie so über dich reden hört, dann könnte man ein vollkommen falsches Bild von dir bekommen, wirklich. Psychisch kranke Nymphomanin ist da noch die netteste Bezeichnung, die ich gehört habe.«
Wahrscheinlich war das noch nicht mal gelogen. »Also – die bleiben besser außen vor?«
Onkel Thomas nickte. »Wenn wir klug sind – und das sind wir ganz bestimmt, nicht wahr? –, lassen wir ihnen ein paar von den weniger interessanten Sachen im Safe liegen, dann wird nie jemand erfahren, dass wir beide den Safe bereits geöffnet haben. Ist das nicht ein großartiger Plan?«
Doch. Doch, dieser Plan war ganz und gar großartig. »Aber woher weiß ich denn,
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