In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück
Perversen wandten sich immer an die arme Janina. Nur einmal geriet ich an eine Frau, die einen Schwangerschaftstest haben wollte, der auch während der Periode funktioniert.
Mit Janina, der PTA , verstand ich mich so gut, dass sie mich sogar zu ihrer Hochzeit einlud.
»Es wäre wirklich schön, wenn du kämst, dann wäre Justus nicht so allein. Außer meiner unmöglichen Cousine Franziska ist auf der Feier nämlich keiner solo.«
»Auch kein hübscher Cousin?«, fragte ich und sah augenzwinkernd zu Justus hinüber, der dabei war, neue Medikamentenlieferungen einzusortieren.
»Nein«, sagte Janina. »Die Cousins sind alle entweder vergeben oder schwul. Tut mir leid.«
»Aber das wäre doch genau …« Die Ladenglocke unterbrach mich. Ich traute meinen Augen nicht: Onkel Thomas betrat die Apotheke. Ich erkannte ihn sofort, er hatte sich nicht viel verändert in den letzten fünfeinhalb Jahren, nur seine Tränensäcke waren dicker geworden.
»Na nu, na na, wen haben wir denn da?«, sagte er aufgeräumt. »Meine herzallerliebste Exschwägerin!«
Justus, zwischen den Schränken versteckt, warf mir einen fragenden Blick zu.
»Schon gut«, sagte ich. »Das kann ich allein.«
»Ich dachte mir, wenn der Berg nicht zum Prophet kommt,dann muss der Prophet eben zum Berg – nicht wahr?«, sagte Onkel Thomas. »Deine Schwester sagte mir, dass du wahrscheinlich hier bist. Scharfes Gerät übrigens, deine Schwester, vielleicht ein bisschen pummelig um die Taille.«
»Was wollen Sie denn?«
»Eigentlich wollte ich mit dir reden, Süße, aber wenn ich schon mal hier bin, kann ich auch gleich meine Tabletten mitnehmen.« Er wandte sich an Janina. »Ich hätte dann gern zweimal Diazepam, Schnuckelchen.«
Mir war bisher nicht aufgefallen, dass er ein ekliger Kosenamen-Fetischist war.
»Dann hätte ich gern das Rezept«, sagte Janina.
Onkel Thomas lachte. »Das habe ich leider nicht dabei. Aber ich bringe es gern später, ja? Bin übrigens Filmproduzent, und wenn ich mir dein Gesicht so anschaue, sehe ich da wirklich viel Potenzial. Hast du schon mal daran gedacht, Schauspielerin zu werden?«
»Tut mir leid, aber ohne Rezept können wir …«
»Ja, ja, ja«, sagte Onkel Thomas. »Saftladen. Und vergiss das mit der Schauspielerei – du bist viel zu alt, um in der Branche noch was zu werden.« Er drehte sich wieder zu mir und knipste sein öliges Lächeln an. »Also, Exschwägerin – wie sieht es aus?«
Als ob du ein drogenabhängiger Versager wärst, so sieht es aus. »Was meinen Sie? Was wollen Sie hier, außer verschreibungspflichtige Anxiolytika abzustauben?«, fragte ich.
Justus zwischen den Schränken zog die Augenbrauen hoch. Ich grinste ihn von der Seite an. Ich fand das Wort einfach zu schön, um es ungenutzt zu lassen.
»Ich wollte dir noch einmal einen Handel vorschlagen«, sagte Onkel Thomas. »Bevor ich vor Gericht gehe.« Er zog ein Blatt Papier aus seiner Anzugjacke und hielt es in die Luft.»Und zwar mit diesem handgeschriebenen Testament meiner lieben verstorbenen Tante Jutta.«
Da gerade ein ganzer Pulk Kunden die Apotheke betrat, beschloss ich, das Gespräch mit Onkel Thomas auf dem Bürgersteig fortzusetzen. Justus machte Anstalten, uns zu folgen, aber ich schüttelte nur den Kopf. Das konnte ich wirklich allein.
»Hier steht es schwarz auf weiß«, sagte Onkel Thomas draußen vor der Apotheke. » Im Falle meines Todes möchte ich, dass alles, was ich besitze, meinem geliebten Tommi gehören soll . Ist das nicht rührend? Wir standen uns immer so nah, die gute Tante und ich. Das stammt zwar aus dem Jahr 2002, aber das tut nichts zur Sache, da war die Tante noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Jeder graphologische Gutachter wird die Echtheit dieses Dokumentes anerkennen müssen – ich habe haufenweise Briefe zum Vergleich.«
»Aha«, sagte ich. Onkel Thomas hatte immer noch die Angewohnheit, sich beim Sprechen die Lippen zu befeuchten. Und offensichtlich war seine Pseudologie noch weiter fortgeschritten. »Das ist aber nett, dass Sie mich vorwarnen, bevor Sie mich verklagen.«
Onkel Thomas stieß einen dramatischen Seufzer aus. »Aber nur, weil ich dieses Hickhack satt habe. Und weil ich uns die teuren Kosten einfach ersparen will – das kennt man doch: Die Nutznießer werden am Ende nur die Anwälte, Gutachter und die Gerichte sein. Wollen wir das, Exschwägerin? Wollen wir das wirklich?«
»Nein. Aber ich glaube, ich habe Ihren Gegenvorschlag immer noch nicht ganz verstanden.«
Onkel
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