In weißer Stille
die Vergewaltigung war verjährt. Er hatte ihr
zu viel negative Energie,
hat sie gesagt. Deshalb hat sie den Kontakt zu ihm abgebrochen.«
»Traut sie ihm den Mord an seinem Vater zu?«
»Er hat ihr von seinen finanziellen Problemen erzählt und dass sein Alter ihn kalt lächelnd untergehen lassen wollte. Sie ist überzeugt, dass Bertram unser Mann ist.«
Doch das alleine reichte nicht. Sie brauchten Beweise. Wieder einmal hatte Dühnfort das Gefühl, durch ein Labyrinth zu irren, ohne den Ausgang zu finden.
* * *
Gegen zwölf Uhr verließ Dühnfort das Präsidium. Die Sonne strahlte aus einem makellosen Blau. Der warme Föhn blies durch die Straßen, rückte die Alpenkette scheinbar vor die Stadt und hatte die Wirte dazu getrieben, Tische und Stühle aus den Kellern zu holen und draußen aufzustellen. Bis Mittag hatte München sich wieder in ein bayerisches Florenz verwandelt. Vielleicht zum letzten Mal in diesem Jahr. Überall saßen Menschen mit Sonnenbrillen vor Cafés und Gaststätten, tranken Cappuccino oder Weißbier und aßen Insalata Caprese oder Tortellini, Weißwürste oder Schweinsbraten. In kurzen Röcken, ärmellosen Tops oder hochgekrempelten Ärmeln boten sie ihre Haut vor Einzug des Winters noch einmal der Sonne dar.
Auch Dühnfort tat der Sonnenschein gut. Die schlechte Stimmung verflog, und plötzlich fühlte er sich voller Tatendrang. Das lag nicht nur am Wetter, sondern hauptsächlich an seinen Segelplänen. Er freute sich darauf, Sylvia Ullmann zu treffen und den Vertrag zu unterzeichnen, und machte sich auf den Weg zum Bonner Platz.
Er erreichte das italienische Café in der Nähe des Schwabinger Krankenhauses, in dem er mit ihr verabredet war, suchte einen Tisch in der Sonne und bestellte einen doppelten Espresso. Dann knöpfte er die Jacke auf, schloss die Augen und spürte dem vergangenen Sommernach. Dem Sommer mit Agnes. Ob sie auf seine Mail antworten würde? Vermutlich nicht. Die von ihm gewählten Worte waren hart und verletzend.
»Espresso doppio.« Der Kellner stellte die Tasse ab. Dühnfort blickte auf und sah Sylvia Ullmann auf den Tisch zusteuern. Sie bestellte beim bereits enteilenden Kellner einen Cappuccino und setzte sich.
Während er den Kaufvertrag durchlas und unterzeichnete, trank sie ihren Kaffee. Er reichte ihr den Kugelschreiber.
Sie notierte die Bankverbindung für ihn und gab ihm dann ein wattiertes Kuvert. »Sie sind ja Polizist und hauen mich sicher nicht übers Ohr. Deshalb habe ich Ihnen schon alle Unterlagen mitgebracht. Die Schlüssel sind auch drin. Also die für die Kajüte und den Außenbordmotor. Der Schorsch weiß Bescheid und hat angeboten, das Boot zum Liegeplatz zu bringen. Es wiegt ja einiges, da brauchen Sie ein starkes Fahrzeug. Also falls Ihres das nicht schafft, der Schorsch würde Ihnen helfen. Am Wochenende geht es bei ihm aber nicht. Erst am Montag.«
An diesen Punkt hatte er noch gar nicht gedacht. Sein Auto hatte weder eine Anhängerkupplung noch die Stärke, ein über zwei Tonnen schweres Boot zu ziehen. »Das ist ein tolles Angebot«, sagte Dühnfort. »Und ich fürchte, ich muss es in Anspruch nehmen. Mein Wagen packt das nicht.«
»Wissen Sie schon, wie Sie es nennen werden?«
Darüber hatte er sich auch noch keine Gedanken gemacht. Sein Handy begann zu klingeln. »Entschuldigung.« Er zog das Mobilteil aus der Jackentasche. Es war Alois. »Ich habe mich in Bertrams Haus noch mal gründlich umgesehen und dabei die Kaufunterlagen fürsein Rad gefunden. Er hat es erst im Sommer erstanden. Ein Stevens S 4 Comp. Das Bike, das wir bei ihm sichergestellt haben, ist zwar auch ein Stevens, aber ein anderes Modell. Es handelt sich also nicht um sein Rad.«
Dühnfort überlegte, was das zu bedeuten hatte. Die Spuren in Heckeroths Auto stammten von dem Rad, das sie bei Bertram gefunden hatten. Diese Spuren waren – außer der Tatsache, dass er ein handfestes Motiv gehabt hatte – neben dem getürkten Alibi alles, was sie gegen ihn in der Hand hatten. Und nun gehörte ihm dieses Rad gar nicht. Weshalb hatte er das nicht gesagt? Wo hatte er es her? Wem gehörte es wirklich?
Etwas wollte an die Oberfläche. Dühnfort schloss die Augen und spürte diesem Gefühl nach.
»Tino? Bist du noch dran?«
»Ich glaube, du bist da auf etwas gestoßen. Ich melde mich wieder.« Er legte auf. Nun hatte er es. Er musste noch einmal in Heckeroths Wohnung.
»Und wie heißt das Boot nun?«, fragte er Sylvia Ullmann. »Vielleicht übernehme ich den
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