In weißer Stille
Alleine schon die Idee, etwas so Erbärmliches zu tun!
Wenn sie Albert dabei erwischen würde, wie er ihre Sachen durchwühlte, dann … ja was dann? Sie hatte keine Ahnung. Gäbe es Krach? Würde sie Teller, Gläser,Vasen gegen die Wand pfeffern? Oder würde sie, in dem Wissen, dass dieser Vertrauensbruch das Ende ihrer Ehe besiegelte, wortlos die Wohnung verlassen oder wieder einmal um des lieben Friedens willen … Quatsch, da belog sie sich selbst. Es war nie um den Ehefrieden gegangen, sondern um ihre Angst vor der Wahrheit. Bisher hatte sie nicht hinsehen wollen, und nun trieb diese andere in ihr sie genau dazu an.
Im Moment sah sie nur noch den Abgrund vor sich. Ihre Ehe war nicht zu retten, Noel und Leon würden zu Scheidungskindern werden. Es kam ihr wie ein persönliches Versagen vor. Was hatte sie nur falsch gemacht?
Wenigstens hatte sie sich nicht lächerlich gemacht, als sie gestern Abend hinüber zum Kurfürstenplatz gegangen war, um mit Albert zu reden. Sie hatte noch zögernd vor der Tür gestanden, da war ein gackerndes Gelächter aus der Wohnung gedrungen. Dieses Gackern kannte sie, es gehörte Margret Hecht. Babs war in ihre Wohnung zurückgeschlichen.
Müde strich sie sich eine Strähne aus der Stirn. Wie lange ging das schon so? Hatte er sie von Anfang an betrogen? War er schon immer ganz der Sohn seines Vaters gewesen? Vielleicht gab es in dieser Wohnung ein Album, in dem er Beweise seiner Eroberungen gesammelt hatte, wie sein Vater.
Nein, rief sie die andere in sich zur Ordnung. Sie würde Alberts Sachen nicht durchsuchen. Aber die andere hörte nicht. Plötzlich stand sie auf. Sie wollte es wissen! Ehe Babs sich versah, durchwühlte sie Alberts Kommode, seinen Schrank und das Nachtkästchen. Doch sie fand nichts. Sicherlich war Albert nicht so leichtsinnig, hier etwas zu verstecken. Schließlich kümmerte sie sich um seine Kleidung und Wäsche. Sie ging in sein Arbeitszimmerund durchsuchte das Regal und die Biedermeierkommode, ein Erbstück seiner Großmutter. Vielleicht im Schreibtisch? Der Reihe nach zog Babs die Schubladen auf. Bis sie bei der angekommen war, in der Bertram den Schlüssel verborgen hatte. Sie hob die Schachtel mit Tesafilmrollen hoch. Darunter lagen einige alte Notizbücher und unter diesen ein Seidentuch, das sie nicht kannte. Etwas war darin eingewickelt. Sie nahm es heraus, schlug den Stoff auseinander und blickte auf Wolframs Uhr. Die Uhr, die Albert ihm zum siebzigsten Geburtstag geschenkt hatte.
Während sie überlegte, warum sie am Samstag nicht gleich die ganze Schublade durchsucht hatte, hörte sie mit halbem Ohr, wie die Wohnungstür aufgesperrt wurde und dann zuschlug.
»Hallo, Babs.« Albert stand an der Schwelle.
Sie zuckte zusammen und fuhr schuldbewusst herum.
»Was hast du da?« Er trat näher und sah auf die Uhr in ihrer Hand.
Ihr blieb nur die Flucht nach vorne. »Ich wollte dir das eigentlich nicht sagen. Aber Bertram hat den Schlüssel eures Vaters in deinem Schreibtisch versteckt und anscheinend auch die Uhr.«
»Wie versteckt und wann?« Albert zog den Mantel aus und legte ihn über den Schreibtischstuhl.
Sie erzählte ihm von Bertrams Besuch, dass er dabei ins Arbeitszimmer geschlichen war, und davon, wie sie am Samstag den Schlüssel entdeckt hatte, als sie Tesafilm gesucht hatte.
»So ein Arschloch.« Albert fuhr sich über die Augen. »Es ist nicht zu fassen.« Er sah sie forschend an. »Warum hast du mir das verschwiegen, und was hast du mit dem Schlüssel gemacht? Hoffentlich zur Polizei gebracht.«
»Nein.« Kleinlaut gestand sie Albert, was sie getan hatte und warum.
Er setzte sich auf die Schreibtischkante. »Du hast ja eine richtig kriminelle Seite an dir.«
War er nun verärgert, oder amüsierte er sich? Babs wusste es nicht. Ihr Mann wurde ihr immer fremder. »Was machen wir nun damit?« Ratlos ließ sie die Uhr in seine Hand gleiten.
Er steckte sie in die Tasche und ging in die Küche. Sie folgte ihm. Aus dem Kühlschrank nahm er eine Packung Orangensaft, schenkte ein Glas voll und zerdrückte die leere Tüte in seiner Faust, bevor er sie in den Müll warf. Dann wandte er sich ab und sah aus dem Fenster. Offensichtlich war er sauer.
»Ich weiß, ich hätte den Schlüssel zur Polizei bringen sollen.« Sie hatte sich ziemlich dämlich benommen, und wenn sie nun auch noch die Uhr verschwinden ließ, würde das die Sache nicht besser machen. Dühnfort würde zwar verärgert sein, aber bevor sie sich noch weiter darin
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