In weißer Stille
Karte zurück. »Um 17.00 Uhr war er wieder daheim.«
»Gut. Und wie sieht es am nächsten Tag aus?«
»6. Oktober.« Meo tippte auf die Tastatur, die blauen Markierungen verschwanden, rote erschienen.
Dühnfort starrte ungläubig an die Wand. »Und der Dienstag?«
»Orange. Aber du siehst es ja selbst.«
»Wie geht das weiter?«
»Genauso. Bertram, oder genauer gesagt sein Handy, war die ganze Woche nur in der Stadt. Erst am Montag, den 13 . Oktober ist er wieder nach Münsing gefahren. Aufgrund der Anmelde- und Abmeldezeiten und den dazu passenden Funkzellen nehme ich an, dass er mit der S-Bahn bis Wolfratshausen gefahren ist und dann mit dem Rad von dort nach Münsing.«
Dühnfort setzte sich. Merde. Darauf hätten wir auch früher kommen können. Die Errungenschaften der neuen Technik. Der Weg in den perfekten Überwachungsstaat war mit Kommunikationstechnologie gepflastert. Bald würden sie lückenlos anhand von E-Mails, Telefonaten, Überwachungskameras und Internetprotokollen wissen, wer wann wo gewesen war. Dühnforts Begeisterung darüber hielt sich in Grenzen. Bertram hatte sich also am Tag des Leichenfundes nach Münsing begeben. »Wann war er dort?«
»Sein Handy hat sich um 17.43 Uhr in der Funkzelle am Hauptbahnhof angemeldet und um 18.35 Uhr in Wolfratshausen. Das entspricht der Fahrzeit der S-Bahn. Vierzig Minuten. Hab ich schon gecheckt. Um fünf vor sechs fährt die S6 nach Wolfratshausen am Hauptbahnhof los. Um sechs Minuten nach sieben war Bertram dann am Wochenendhaus.«
Bertram war also kurz vor seinem Bruder dort gewesen. Mit dem Rad. Aber mit welchem? Um kurz vor halb acht hatte Albert den Notruf der Polizei gewählt. »Wann ist Bertram zurück nach München und wie?«
»Sein Handy hat sich um 19.31 Uhr aus der Münsinger Funkzelle abgemeldet.« Meo sah auf. »Die ist aber groß. Zwei Kilometer Durchmesser. Er muss also Albert nicht getroffen haben.«
»Ist er mit der S-Bahn zurück?«
»Ja. Die An- und Abmeldezeiten passen, und die Zellen sind die gleichen wie bei der Hinfahrt.«
»Und vom Bahnhof zum Wochenendhaus und zurück ist er mit dem Rad gefahren?«
»Wie sonst? Zu Fuß hätte er länger gebraucht und mit einem Auto nicht so lang.«
»Auf dem Hotelparkplatz war er nicht?«
Meo zuckte die Schultern. »Der liegt in der gleichen Funkzelle wie das Wochenendhaus. Das kann ich also nicht feststellen.«
»Wir brauchen die Überwachungsbänder der S-Bahn für den fraglichen Zeitraum. Ich kümmere mich darum.«
»Hab ich schon angeleiert. Die kriegen wir morgen früh.« Meo schaltete den Beamer aus.
Dühnfort nickte überrascht. »Gut. Dann suche ich jetzt den Bereitschaftsdienst der Staatsanwaltschaft auf. Morgen kannst du dann dieses Wunder der Technik mit den Daten von Alberts Handy wiederholen.«
* * *
In Christian Brandenbourgs Augen lag Groll. Caroline irritierte der Stimmungswechsel. »Woran soll mein Vater schuld sein? Er hatte doch keine Ahnung.«
»Da, liebe Caroline, täuschen Sie sich.« Es klang bitter. Christians buschige Augenbrauen zogen sich zusammen. Der Kellner trat an den Tisch und fragte, ob er die Suppe abräumen solle. Christian nickte, ohne den Blick von Caroline zu lösen. Als der Ober mit den halbleeren Tellern verschwand, fuhr er fort. »Mein Vater litt unter einer Herzschwäche. Als Folge einer verschleppten Grippe hatte er eine Herzmuskelentzündung, von der er sich nie erholt hat. Er war auf Medikamente angewiesen und sollte Stress und Aufregung meiden. Sie waren Gift für ihn.«
Eine beängstigende Ahnung stieg in Caroline auf.
»Meine Mutter ist eine geborene Baronesse von Schweigt-Cosfeld«, fuhr Christian fort. »Preußischer Landadel. Arm, aber vornehm. Niemals hätte sie meinem Vater eine Szene gemacht. Niemals hätte sie zugegeben, von seiner Geliebten zu wissen. Sie hat das anders gelöst, liebe Caroline. Sie hat sich mit Ihrem Vater getroffen und ihn gebeten, seine Gattin zur Räson zu bringen.«
Ach du meine Güte, dachte Caroline. Ihr Vater, der stolze Mann, der keine Niederlage akzeptieren konnte, der nie klein beigab, erhielt von der Frau seines Nebenbuhlers die Aufforderung, für Ordnung zu sorgen. Sie wusste mehr als er und demaskierte ihn so als ahnungslosen, gehörnten Trottel. Was diesem Gespräch gefolgt sein musste, konnte Caroline sich vorstellen. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
Christian musterte sie. »Ihr Vater hat aber nicht Elli zur Rede gestellt, sondern meinen Vater. Er bat ihn in der Mittagspause
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