In weißer Stille
einen Kaffee haben, Babs?« Alberts Frau füllte eine Tasse und setzte sich zu ihnen.
Dühnfort bat Albert um die Adressen und Telefonnummern seiner Geschwister und fragte, wo er sie erreichen konnte.
»Bertram ist vermutlich daheim. Seine Wohnung und sein Architekturbüro sind im selben Haus. Caroline arbeitet als Marketingleiterin bei der Chocolaterie Jacques Kerity in Martinsried. Sie musste heute ins Büro.«
»Wie ich erfahren habe, war Ihr Vater auch Kinderarzt und wohnte im gleichen Haus, in dem Sie die Praxis haben«, sagte Dühnfort.
»Ich habe die Praxis von ihm übernommen, und das Haus gehört ihm.«
»Nicht schlecht.«
Albert seufzte. »So viel verdienen Kinderärzte nun auch nicht. Er hat es von seinem Onkel geerbt.«
»Und nun erben Sie und Ihre Geschwister das Haus?«
Albert nickte.
»Es muss ein Vermögen wert sein.«
»Wenn es schuldenfrei wäre, dann ja. Aber meine Eltern haben vor einigen Jahren Sanierungsmaßnahmen durchführen lassen und dafür eine Hypothek aufgenommen.«
»Und das Haus am See?«
»Das ist gemietet.«
»Wenn man die Belastung abzieht, wie groß ist das Erbe dann?«
»Etwa anderthalb Millionen.«
Es wurde schon für weniger gemordet, dachte Dühnfort.
Albert schob die Kaffeetasse beiseite. »Warum fragen Sie das? Es war doch Raubmord. Oder nicht?« Seine Stimme klang müde und resigniert.
»Das ist Routine. Erbt sonst noch jemand?«
»Nein. Nur wir Kinder.«
»Ihre Praxis läuft gut?«
»Sie lief schon mal besser. Die ständigen Gesundheitsreformen … Aber es reicht, um ordentlich davon zu leben und die Familie zu ernähren.«
»Gut. Der Schlüssel zum Wochenendhaus, befindet er sich am Schlüsselbund Ihres Vaters?«
Albert verschränkte die Hände. »Nein. Den hat er separat aufbewahrt. Ist er weg?«
»Im Moment sieht es so aus.« Dühnfort ließ sich von Albert dessen Schlüssel zum Wochenendhaus aushändigen. Den Reserveschlüssel hatte er bereits gestern an sich genommen, fehlten noch die von Bertram und Caroline.
Dühnfort trank einen Schluck Kaffee und fragte dann, ob Heckeroth senior mit jemandem Streit gehabt habe. Aber es gab keinen Streit, weder mit Mietern noch imFreundeskreis. Auch keinen Streit in der Familie, außer einer kleinen Unstimmigkeit. »Mein Vater war mit Bertrams Lebensführung nicht einverstanden. Mein Bruder hat sich scheiden lassen. Das passte nicht in das Weltbild meines alten Herrn. Für ihn war es wichtig, dass eine Familie zusammenhält.«
»Wer wusste, dass er zum Haus am See fahren wollte und wie lange er bleiben würde?«
Albert überlegte. »Ich wusste davon und meine Frau, dann Caroline und Frau Kiendel. Sie hat die Wohnung unterm Dach und putzt bei ihm. Dann wird er seinem Schachpartner abgesagt haben, Karl von Schmitten. Ich denke, das sind alle.«
»Und Bertram.«
»Bertram? Das glaube ich nicht. Sie hatten keinen engen Kontakt.«
Jedenfalls war er enger, als Albert denkt, überlegte Dühnfort. Schließlich hatten Bertram und Heckeroth senior am Sonntag vor einer Woche gemeinsam gegrillt. Aber anscheinend hatte Heckeroth Albert davon nichts erzählt, als dieser einen Tag später zur Siphonreparatur kam. »Ich würde mich gerne in der Wohnung umsehen. Können Sie mir den Schlüssel geben?«
Albert begleitete Dühnfort zum Kurfürstenplatz. Das schmale Gebäude lag zwischen der Filiale einer Bank und einem Optikergeschäft. Eine Stuckatur an der Giebelseite gab das Jahr der Erbauung an. 1922 . Am Sockel prangte ein rotes Graffito mit schwarzer Kontur.
Zero.
Ein Tor aus Schmiedeeisen verschloss die Zufahrt zum Hinterhof. Dühnfort folgte Albert ins Haus. Auf der Treppe begegneten sie Gina. »Von den Mietern wussten alle, dass Heckeroth ins Wochenendhaus wollte. Jedenfalls alle, die ich bisher fragen konnte.«
Sie blieben vor der Wohnungstür stehen. Albert reichte Dühnfort die Schlüssel. »Wonach wollen Sie dort suchen?«
»Wir suchen nichts. Wir möchten uns einen Eindruck verschaffen.« Dühnfort nahm den Schlüssel und sperrte auf. Einen Moment blieb Albert zögernd stehen, dann verabschiedete er sich und ging.
Die Wohnung war groß. Fünf Zimmer, Küche, zwei Bäder und ein Gäste-WC. Versiegelte Parkettböden, hohe Stuckdecken, gepflegte Antiquitäten. Chintzvorhänge bauschten sich, orientalische Teppiche dämpften Schritte, gerahmte Stiche schmückten Wände. Auf einer Kommode im Wohnzimmer standen vier silbergerahmte Fotografien. Eine zeigte Wolfram Eberhard Heckeroth. Ein volles Gesicht mit
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