In weißer Stille
nicht mit seiner Angestellten, nicht mit einer Frau, die Hauptschulabschluss hatte und ihm geistig nichts bieten konnte. Worüber wollte er sich mit ihr unterhalten? Aber vielleicht war gute Konversation nicht das, was er suchte. Vielleicht suchte er den guten Fick. Stammte dieses unsägliche Wort etwa aus einer billigen Affäre mit seiner Sprechstundenhilfe? Wie der Vater, so der Sohn. Wenn Albertauch in dieser Beziehung in die Fußstapfen seines ach so bewundernswerten Vaters trat …»Quatsch«, hatte sie laut in die Stille gesagt, sich so selbst zur Ordnung gerufen und sich dann den Kaffee eingeschenkt, der nun durch den Ausguss lief.
Babs setzte frischen Kaffee für Albert auf und räumte das Geschirr der Jungs in die Spülmaschine.
Noel und Leon hatten sofort gewusst, dass etwas geschehen war, als sie zum Frühstück in die Küche gekommen waren. Sie hatten es ihr angesehen, und auf Leons Frage, was denn los sei, hatte sie lediglich geantwortet, dass ihr Opa gestorben sei. Die Umstände hatte sie verschwiegen. Das musste sie schnellstmöglich nachholen. Aber wie sollte sie es ihnen beibringen? Sie fragte sich gerade, warum sie glaubte, dass dies ihre Aufgabe sei, als es klingelte.
Sie ging zur Gegensprechanlage – ein Kommissar wollte Albert sprechen – und betätigte den Türöffner. Dann ging sie zu Albert ins Badezimmer. Er stand noch unter der Dusche, die Scheibe war beschlagen, Dampfwolken vernebelten den Raum. »Ein Polizist möchte dich sprechen.«
Das Wasserrauschen verebbte. Albert trat aus der Kabine und griff nach einem Badetuch, das er um die Hüften schlang. Er hatte die halbe Nacht wach gelegen und war erst eingeschlafen, nachdem Babs ihn davon überzeugt hatte, ein Schlafmittel zu nehmen. Er sah blass und übernächtigt aus. »In fünf Minuten bin ich fertig.«
Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er zog sie an sich, hielt sie fest. Dabei fühlte sie ein Zucken, das ihn durchlief, und glaubte, er würde gleich weinen. Als es kurz darauf an der Wohnungstür klingelte, löste sie sich von ihm und trat in den Flur. Auf dem Weg zur Tür warfsie einen Blick in den Spiegel. Die schulterlangen kastanienbraunen Haare waren leicht zerzaust, der Teint blass und die dunklen Augen sorgenvoll. Auch die Folge zweier Nächte mit wenig Schlaf. Alberts Umarmung hatte Spuren hinterlassen. Die türkise Strickjacke wies auf der Schulter einen feuchten Fleck auf, ebenso die weiße Bluse, die sie zur Jeans trug.
Sie öffnete die Tür. Der Mann, der sich etwas atemlos als Kriminalhauptkommissar Dühnfort vorstellte, war etwa so groß wie Albert, besaß aber nicht dessen athletische Figur, sondern hatte ein paar Pfund Übergewicht und war ein wenig älter, erste graue Strähnen durchzogen die schwarzen Haare. Bemerkenswert waren seine graugrünen Augen und das freundliche Lächeln. »Darf ich reinkommen?«, fragte er.
* * *
Dritte Etage. Kein Lift. Den Gedanken, mehr für seine Fitness tun zu müssen, schob er beiseite. Ihm fehlte nicht nur die Zeit dafür, sondern auch die Disziplin. Seit er Agnes kannte, fuhr er immerhin gelegentlich mit dem Fahrrad. Aber das würde nun ein Ende haben.
Etwas atemlos betrat Dühnfort die Wohnung und folgte Alberts Frau in einen quadratischen Vorraum.
»Mein Mann kommt gleich. Geben Sie mir den Mantel?« Trotz des Lächelns las Dühnfort die Anspannung in ihrem Gesicht. Während sie seinen Mantel aufhängte, sah er sich um. Die Wohnung gefiel ihm. Antiquitäten und moderne Möbel wechselten sich ab. Wände und Vorhänge waren farblich auf Fischgrätparkett und Teppiche abgestimmt. Helle Cremefarben harmonierten mit dunkleren Erdfarben. Rot in verschiedenen Varianten sorgte für Akzente. Die Tür zur Küche stand offen, einalter Tisch beherrschte den im Landhausstil möblierten Raum.
Alberts Frau bot ihm Platz an. »Möchten Sie einen Kaffee? Er ist ganz frisch.«
»Gerne.« Dühnfort setzte sich. Sein Handy klingelte, Gina meldete sich. »Die Beschreibung der Uhr ist raus. Wenn die zum Verkauf angeboten wird, erfahren wir es – hoffentlich. Das mit den Kontoauszügen dauert bis heute Mittag. Also horch ich schon mal die Nachbarn aus. Okay?«
Er gab ihr grünes Licht. »Wir sollten in Erfahrung bringen, wer über Heckeroths Aufenthalt im Wochenendhaus informiert war. Wenn ich hier fertig bin, komme ich rüber.« Er verabschiedete sich und steckte das Handy ein, als Albert die Küche betrat. Er trug Jeans und ein Sweatshirt, seine Haare waren feucht. »Kann ich auch
Weitere Kostenlose Bücher