In weißer Stille
oder?«
»Nur weil sie sich um Frauen kümmert?«
»Sie wird täglich mit Gewalt gegen Frauen konfrontiert, da bleibt man nicht objektiv. Wie steht sie eigentlich zu Sabine Groß? Sind sie nur befreundet, oder ist da mehr dahinter?«
»Du denkst, sie haben ein Verhältnis und Alex hat Sabine gerächt?«
»Verhältnis wäre zu wenig. Da müssten schon die großen Gefühle im Spiel sein.«
Etwas gefiel Dühnfort an der Idee nicht. »Sabine hat nicht mitbekommen, wie Heckeroth sich an ihr vergangen hat. Sie wusste weder von der Fesselung, noch kannte sie das Foto. Wenn Heckeroths Fesslung mit den Gürteln ein Symbol für Rache ist – nach dem Motto
wie du mir, so ich dir
–, dann müsste Sabine die Aufnahme ja gekannt haben.«
»Manchmal lügen Zeugen«, erwiderte Alois ironisch.
Dühnfort glaubte das nicht. »Ihre Reaktion auf das Foto … das war nicht gespielt.«
Er erreichte die Autobahnausfahrt und fuhr über die Landstraße bis zum
Schlosshotel König Ludwig,
das kurz hinter Münsing auf einer Anhöhe lag. Inzwischen war die Wolkendecke weiter aufgerissen, blaue Inseln lugten aus dem Wolkenmeer. Am Horizont zeichnete sich als grauer Schattenriss die Alpenkette ab. Unter ihnen lag der Starnberger See, eine windbewegte Masse, auf deren Oberfläche einige Boote schaukelten. Ein Surfer mit neonbuntem Brett und Segel jagte in Ufernähe über die Wellen. Ein Segelboot, das wäre es, dachte Dühnfort. Ich sollte mir ein Boot mieten und endlich einmal wieder segeln. Dieser Gedanke brachte eine Saite in ihm zum Schwingen, erzeugte Erinnerungen, die sehnsuchtsvoll in ihm nachhallten. Für einen Moment glaubte er salzige Meeresluft zu riechen.
Der Kies knirschte unter den Reifen, als er auf die Zufahrt einbog. Vor ihnen erschien ein Schlösschen in Toskanagelb. Auf dem Platz vor dem Eingang reihten sich teure Wagen. Gepflegte Rasenflächen, die in Wald übergingen, umgaben das Hotel. Dühnfort hielt Ausschau nach Buchholz und entdeckte ihn westlich des Gebäudes am hinteren Ende eines Parkplatzes, wo er in Heckeroths Jeep spähte. Dahinter stand ein Abschleppwagen, der Fahrer lehnte daran und rauchte eine Zigarette. Dühnfort stoppte und stieg aus, während Alois seinen Mantel von der Rückbank holte und überwarf. Buchholz begrüßte Dühnfort mit Handschlag.
»Wozu braucht ein alter Mann ein so protziges Auto?« Alois betrachtete den silberfarbenen Geländewagen. Es war ein wuchtiger Fünftürer mit Alufelgen und Breitreifen.
»Zum Angeben. Was sonst?« Buchholz schob sein schwarzes Basecap in den Nacken. »Mal sehen, was nach den Regengüssen der letzten Tage noch an Spuren übrig ist. Etwas habe ich allerdings schon gesehen. Das könnte spannend werden.« Er deutete auf die Heckklappe des Fahrzeugs.
Das Wageninnere war wie frisch gesaugt. Auf dem grauen Velours dagegen, mit dem der Gepäckraum ausgekleidet war, gab es schwarze Flecken. Öl oder Schmiere. Im Schatten der Radkästen lagen kleine braune Krümel. »Diese Krümel könnten aus dem Profil einer Schuhsole stammen. Was meinst du?«
»Mal sehen. Jetzt schaffen wir die Karre erst einmal zur Untersuchung.« Buchholz wandte sich dem Fahrer des Abschleppfahrzeugs zu.
Alois steckte die Hände in die Taschen seines Wollmantels. »Ich frage im Hotel nach, seit wann das Auto hier steht und ob jemand Beobachtungen gemacht hat.«
»Und lass dir die Namen aller Gäste der letzten elf Tage geben, auch die des Personals, das in dieser Zeit hier gearbeitet hat.« Dühnfort blickte Alois nach, der zielstrebig auf den Hoteleingang zuging.
Dann sah er sich um. Das Hotel verfügte über einen Biergarten, eine Caféterrasse und ein Wintergartenrestaurant mit Blick auf den See. Am Ende des Parkplatzes begann ein Fußweg. Ein Hinweisschild des Fremdenverkehrsvereins mit Wanderzielen, Streckenlängen und den dafür benötigten Zeiten stand dort.
Der Täter hatte Heckeroths Auto vermutlich hierhergebracht, um den Eindruck zu erwecken, das Wochenendhaus sei unbewohnt. Doch wie war er wieder weggekommen? Hatte er einen Helfer gehabt? Einer parkte das Auto des Opfers, der andere fuhr mit dem Täterfahrzeug hinterher und sammelte seinen Komplizen ein. Ein Einzeltäter hätte zu Fuß zurück zu seinem Fahrzeug gehen müssen. Dühnfort betrachtete die Wegekarte mit den Wanderzielen. Sie war sehr abstrakt gezeichnet und ihm daher zu ungenau. Daraufhin holte er eine Landkarte aus dem Handschuhfach seines Autos und studierte sie.
Als Alois zurückkam, hatte er zwei
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