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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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sichern.«
    Sie schrak zusammen.
    Er las die Wahrheit in ihren Augen, bevor sie den Blick senken konnte.
    Für einen Augenblick herrschte Stille. Dann stand Marc auf. »Ich bin müde und würde jetzt gerne allein sein. Ich rufe dir ein Taxi.« Seine Stimme war leiser und eine Nuance tiefer, als wäre sie unter etwas begraben.
    * * *
    Noel und Leon waren nach dem Abendessen in ihre Zimmer gegangen. Babs bügelte die Hemden der Jungs und eines von Albert für die Beisetzung morgen früh. Am Samstag fuhren Noel und Leon für eine Woche insSchullandheim. Besinnungstage. Das war genau das, was sie nach den beiden Todesfällen brauchten. Babs hatte am Nachmittag mit den Lehrern gesprochen, welche die Klassen begleiteten. Sie hatte auf die besondere Situation hingewiesen, in der sich die Kinder befanden, und die Lehrer gebeten, darauf einzugehen.
    Albert war noch immer nicht nach Hause gekommen und sein Handy weiterhin ausgeschaltet. Das Gedankenkarussell nahm wieder Fahrt auf. Vielleicht war ihm doch etwas zugestoßen. Aber wenn Albert einen Unfall gehabt hätte, dann wäre die Polizei längst hier gewesen. Er benahm sich einfach rücksichtslos. Vermutlich lag er im Bett seiner Sprechstundenhilfe, dieser ausgemergelten Gestalt, die sich nicht zu blöd gewesen war, einen dezenten Hinweis zu geben, indem sie Albert beim Vornamen genannt hatte. Sie verscheuchte diesen Gedanken, bügelte den Kragen, sprühte die Manschetten ein.
    Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt, die Wohnungstür geöffnet. Gleich darauf fiel sie zu. Babs’ Gefühle schwankten zwischen Wut und Erleichterung. Sie war gespannt, wie er das erklären würde. Viel Streit hatte es in ihrer Ehe bisher nicht gegeben. Aber jetzt ertappte Babs sich bei der Vorstellung, Geschirrstapel gegen die Wand zu schleudern.
    Zuerst erschien eine Hand mit einem Strauß roter Rosen in der Türöffnung, es folgte die zweite, mit einer Flasche Gin. Dann erschien Alberts Gesicht. »Verzeihst du mir? Ich habe mich einfach schändlich benommen.« Schuldbewusst blickte er sie an, die Augen treuherzig aufgerissen wie ein kleiner Junge, der etwas ausgefressen hat. Sie konnte nicht anders, sie musste einfach lachen.
    Er kam in die Küche, reichte ihr die Blumen, stellte die Flasche auf den Tisch und zog sie an sich. »Natürlichkannst du mein Arbeitszimmer benutzen. Ich hoffe, das weißt du und hast es auch getan.«
    Braves Mädchen, das ich bin, dachte sie, habe ich das natürlich nicht getan. Ganz schön dumm. Ihr Rücken schmerzte heute bereits mehr als gestern.
    »Ich mache uns einen Gin Tonic.« Albert zwinkerte ihr zu und ging zum Kühlschrank.
    So einfach also gedachte er die Sache unter den Tisch zu kehren. Mit dem Gin Tonic hatte es eine besondere Bewandtnis in ihrer Ehe. Er gehörte sozusagen zum Vorspiel.
    »Wo warst du?«
    Er nahm die Eiswürfel aus dem Tiefkühlfach. »Ich habe in Vaters Wohnung übernachtet und dann den Tag damit verbracht, ganz sentimental in Erinnerungen zu schwelgen. Ich habe die Fotoalben durchgesehen und sogar die alten Super- 8 -Filme angeguckt. Familie Heckeroth beim Skifahren, Rodeln, Angeln und Baden, beim Picknick an der Isar und im Urlaub auf Kreta. Die reinste Zeitreise. Ich habe mir gedacht, dass wir nach der Beisetzung Caroline und Marc einladen könnten, um sie anzusehen. Meinetwegen auch Bertram. Einmal muss Schluss sein mit dem Streit.«
    Über diesen Sinneswandel war Babs erleichtert. »Das ist eine nette Idee.«
    »Welche meinst du?« Albert trat zu ihr und nahm sie in den Arm. »Filme gucken oder die Versöhnung mit Bertram?«
    »Beide.«
    Albert beugte sich zu ihr und küsste sie. Sie erwiderte den Kuss, erleichtert darüber, dass sich die ganze Situation in Wohlgefallen auflöste.

F REITAG , 17 . O KTOBER
    Über Nacht waren die Wolken verschwunden, die Luft war klar und kühl. Die Herbstsonne tunkte Bertrams Haus in goldenes Licht. Auf dem Garagenvorplatz stand der Porsche. Es war zehn nach zehn, als Dühnfort dort parkte. Alois stoppte hinter ihm. Der Bus mit den Kollegen für die Hausdurchsuchung hielt am Straßenrand. Dühnfort stieg aus und klingelte.
    Kurz vor acht hatte Buchholz die Ergebnisse der Spurensicherung an Heckeroths Auto präsentiert. Die getrockneten Erdreste stammten aus dem Profil von Bertrams Rad und die Ölflecken von der Radkette. Dühnfort hatte Haftbefehl und Hausdurchsuchungsbeschluss beantragt und erhalten.
    Alois trat neben ihn. Dühnfort klingelte nochmals. »Wir vernehmen ihn erst, wenn wir hier

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