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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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auftaute, ging sie ins Schlafzimmer und wechselte denHosenanzug gegen Jeans und Pulli. Dann nahm sie das Tagebuch vom Nachtkästchen.
    Fünf Minuten später saß sie mit einem Käsebaguette und einem Glas Wein auf dem Sofa und lauschte der Musik.
Göttlich.
So hatte Mutter Christian Brandenbourgs Spiel beschrieben. Aber der zweite Satz des
Frühlings
war kalt und spröde. Caroline griff nach der Fernbedienung und wählte den
Sommer
aus. Die Musik klang nun warm und behaglich, wie ein leichter Regen, der auf Blumen und Wiesen fiel und vom einsetzenden Wind durch Bäume und Sträucher gejagt wurde. Plötzlich fühlte Caroline ein unerklärliches Unbehagen in sich aufsteigen. Sie griff nach dem Glas, trank einen Schluck Wein und öffnete Mutters Tagebuch. Als sie die Stelle gefunden hatte, an der sie zu lesen aufgehört hatte, blätterte sie weiter. Auf der folgenden Seite standen nur drei Worte. Sie trafen Caroline wie ein Schlag.
Peter ist tot!
    * * *
    Auf dem Rückweg zum Präsidium stattete Dühnfort seiner Bank einen Besuch ab. Ein Formular, eine Unterschrift und der Bausparvertrag war gekündigt; das Guthaben würde demnächst seinem Girokonto gutgeschrieben. Mit diesem Grundstock für ein eigenes Haus, von dem er bisher geträumt hatte, ebenso wie von einer Frau und Kindern, die ihn abends, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, darin erwarten würden, mit diesem Geld also würde er nun das Boot bezahlen. Es wird nichts mit dem Spießerleben, dachte er, und der Gedanke an das Boot erfüllte ihn mit einer unerklärlichen Sehnsucht. Vielleicht war es das, was er eigentlich suchte. Eine Weite, die es in Bayern nicht gab, Raum, in dem man Blicke und Gedanken schweifen lassen konnte.
    Vom Auto aus rief er Caroline Heckeroth an und fragte, ob er sich mit ihr über Sabine Groß unterhalten könnte.
    »Wegen des Bildes in Vaters Album? Da kann ich Ihnen sicher nicht weiterhelfen.«
    »Nicht deswegen. Ich will mir ein Bild von ihr machen.«
    »Da sind Sie bei mir an der Falschen. Ich habe Sabine seit mehr als zwanzig Jahren nicht gesehen, nachdem sie das Studium gleich im ersten Semester abgebrochen hatte.«
    Dühnfort dankte ihr und fuhr zu Katja Rists Galerie. Sie war geschlossen. Durch die Fenster sah er jedoch, dass im Büro Licht brannte, und klopfte. Kurz darauf erschien Bertrams Exfrau im Verkaufsraum. Sie ließ ihn ein, bot ihm Platz auf dem Sofa an und holte sich vom Schreibtisch einen Becher Tee.
    »Sagt Ihnen der Name Sabine Groß etwas?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Wer ist das?«
    »Eine ehemalige Studienkollegin von Caroline. Sie hat Bertram vor ein paar Wochen hier in der Nähe in einem Café getroffen und ihn wenigstens ein Mal angerufen.«
    »Bertram hat mir nichts davon erzählt. Aber wir sind ja geschieden und haben uns nicht häufig gesehen.« Mit einer müden Geste fuhr sie sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Als Bertram mich gebeten hat, für ihn zu schwindeln, da hat er mir versichert, dass er mit dem Tod seines Vaters nichts zu tun hat. Er hat mich nicht angelogen. Er war es nicht.«
    »Wenn er gesagt hätte, dass er es war, hätten Sie ihm dann ein Alibi gegeben?«
    Sie legte die Hände um den Becher und starrte hinein.
    »Sehen Sie«, sagte Dühnfort. »Wir vermissen sein Handy und seinen Laptop. Sind die Sachen zufällig bei Ihnen?«
    Wieder schüttelte sie den Kopf. »Ohne Handy war Bertram nur ein halber Mensch. Er hatte es immer bei sich. Wenn es weg ist, dann hat es sicher jemand gestohlen. Ist ja auch ein ziemlich teures Stück mit Bluetooth, WLAN, Foto- und Videofunktion. Und der Laptop«, sie hob die Schultern und ließ sie wieder sinken, »der stand eigentlich immer im Büro. Den hat er so gut wie nie durch die Gegend geschleppt.«
    »Wissen Sie, ob Bertram gelegentlich Drogen genommen hat?«
    »Wie kommen Sie auf die Idee? Manchmal hat er einen Whiskey getrunken oder ein Glas Wein oder Champagner. Aber nie wirklich viel, und vor allem hat er keine Pillen eingeworfen oder irgendwas gekifft.« Eine steile Falte bildete sich an ihrer Nasenwurzel.
    »Wussten Sie von der Pistole?«
    »Ja, klar. Er hat ja jedem davon erzählt. Das war eine seiner spannenderen Storys. Wenn er die zum Besten gab, dann hingen die Leute an seinen Lippen. Er war ein begnadeter Geschichtenerzähler.« Für einen Moment huschte ein Leuchten über ihr Gesicht.
    »Können Sie mir eine Aufstellung machen, wer von der Waffe wusste?«
    Das Leuchten verschwand und wich einem besorgten Ausdruck.

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