In Zeiten der Flut
ich eine dermaßen kindische Diskussion mit einem Informationssystem führe!« Der Bürokrat wandte sich unmittelbar an den Verwalter. »Trinculo, sagen Sie Ihren Leuten, ob eine derart tiefgreifende Umwandlung der menschlichen Physis möglich ist.«
Trinculo wandte sich erst nach rechts, dann nach links und stammelte: »Ich ... Nein, tut mir leid, ich ... kann die Frage nicht beantworten.«
»Aber es geht doch bloß darum, verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse miteinander in Beziehung zu setzen!«
»Ich habe ... keine ...« Trinculos Blick wirkte gequält. Seine Augen huschten hektisch umher.
Auf einmal waren der Verwalter und die summende Präsenz seiner Untergebenen verschwunden. Bis auf die Sibylle war das Büro leer. Sie hatte die Verbindung unterbrochen.
Der Bürokrat runzelte die Stirn. »Ihr Verwalter scheint Ihren Anforderungen nicht gewachsen zu sein.«
Die Sibylle hob heftig den Kopf, womit sie die Kabel in knisternde Bewegung versetzte. »Und wessen Schuld ist das? Ihre eigene Abteilung hat all die Amokläufer und Berserker hergeschickt, als man dort zu dem Schluß gelangte, daß die Stille Revolution zu weit gegangen sei. Bevor Ihre Leute alles untergraben haben, hatten wir ein vollkommen integriertes System.«
»Das ist schon lange her«, sagte der Bürokrat. Er wußte über den Vorfall natürlich Bescheid, über den weltfremden Versuch, das technische Niveau eines ganzen Planeten so weit zurückzuschrauben, daß man den gesamten außerplanetarischen Handel einstellen konnte, doch es überraschte ihn, sie so emotional darüber reden zu hören. »Das war, als das Tideland noch unter Wasser stand, kurz vor der Neubesiedlung. Lange bevor wir beide geboren wurden. Es gibt doch wohl keinen Grund, alte Mißstände wieder hervorzukramen.«
»Das sagt sich so leicht. Sie brauchen ja auch nicht mit den Folgen zu leben. Sie müssen nicht mit einem überalterten Informationssystem zurechtkommen. Ihre Leute haben Trinculo zum Verräter erklärt und sämtliche höheren Funktionen eliminiert. Aber man gedenkt seiner noch immer als eines Patrioten. Die Kinder zünden in den Kirchen Kerzen für ihn an.«
»Er war ihr Anführer?« Dann wunderte es den Bürokraten auch nicht, daß man Trinculos höhere Funktionen ausgebrannt hatte. Nach allem, was auf der Erde geschehen war, hatte man nichts mehr zu fürchten als eine unabhängige künstliche Persönlichkeit.
Die Sibylle schüttelte wutentbrannt ihre Kabel. Kondensflüssigkeit flog durch die Gegend. »Ja, er war unser Anführer! Ja, er war der Drahtzieher hinter der Rebellion, wenn Sie es so nennen wollen. Wir wollten nichts weiter, als uns von eurer Einmischung, eurer Wirtschaft, eurer Technik befreien. Als Trinculo uns zeigte, wie wir uns aus eurer Herrschaft lösen könnten, haben wir nicht erst lange überlegt, ob er nun aus einer Fabrik oder einer Gebärmutter stammte. Wir hätten uns mit dem Teufel eingelassen, wenn auch nur die geringste Aussicht bestanden hätte, unseren Hals aus eurer Schlinge zu ziehen, aber so einer war Trinculo nicht. Er war ein Verbündeter, ein Freund.«
»Sie können sich nicht vom ganzen Universum lossagen, ganz gleich, wie ...«, begann der Bürokrat. Die Haut der Frau war jedoch weiß geworden, ihre Lippen schmal, ihr Blick durchdringend. Ihr Gesicht hatte sich verschlossen und in Stein verwandelt. Es war hoffnungslos, mit ihr argumentieren zu wollen. »Also, dann, danke für Ihre Hilfe.«
Die Sibylle starrte ihn aus dem Raum.
Der Bürokrat wich rückwärts zurück, drehte sich um und bemerkte, daß er die Orientierung verloren hatte.
Als er unentschlossen dastand, öffnete sich auf dem Korridor eine Tür. Ein Mann trat heraus, der so hell leuchtete wie ein Engel. Er sah aus, als habe er die Sonne verschluckt und könne das Licht nicht zurückhalten. Der Bürokrat stellte die externe Verstärkung niedriger und erblickte im Innern der eindunkelnden Gestalt die stählernen Rippen und das Bildschirmgesicht eines anderen Surrogats. Er kannte das Gesicht.
»Philippe?« sagte er.
»Eigentlich bin ich bloß ein Stellvertreter.« Philippe hatte sich von der Überraschung als erster erholt und grinste ihn nun kameradschaftlich an. »Bedauerlicherweise stehe ich mit meiner Arbeit so unter Druck, daß ich nicht persönlich her kommen konnte.« Er nahm den Bürokraten beim Arm und geleitete ihn durch den Korridor. »Wenn das Ihre erste Begegnung mit Trinculos Witwen war, brauchen Sie einen Drink. Sie haben doch bestimmt Zeit
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