In Zeiten der Flut
für einen Drink.«
»Verbringen Sie viel Zeit auf Miranda?«
»Es gibt welche, die sind seltener hier, andere häufiger.« Philippes Zähne waren makellos, und sein Gesicht war faltenlos und rosig, obwohl er der Vater des Bürokraten hätte sein können. Er war die lebendige Verkörperung des ewigen Schuljungen. »Kommt es darauf an?«
»Wohl kaum. Was macht mein Schreibtisch?«
»Oh, ich bin sicher, Philippe hat alles im Griff. Dafür hat er ein Händchen, wissen Sie.«
»So sagt man«, meinte der Bürokrat bedrückt.
Sie traten auf einen Balkon hinaus, von dem man Aussicht auf eine Straße hatte. Philippe rief eine bewegliche Brücke herbei, auf der sie über den heißen Fluß aus flüssigem Metall zum nächsten Flügel des Gebäudes hinüberschwebten. »Wo ist Philippe im Moment?«
»Emsig beschäftigt im Palast der Rätsel, nehme ich an. Hier entlang.« Sie gelangten zu einer menschenleeren Ruhenische und stöpselten sich ein. Philippe bestellte etwas zu essen und stützte einen metallischen Ellbogen auf die Bar. »Der Apfelsaft sieht gut aus.«
Der Bürokrat hatte wissen wollen, wo Philippe sich physisch aufhielt. Die Stellvertretertätigkeit im Normalraum war soviel teurer als die Surrogation - dafür sorgten schon die für die Erhaltung der virtuellen Realität verantwortlichen Ministerien -, daß Stellvertreter normalerweise nur dann eingesetzt wurden, wenn der Zielort so weit entfernt war, daß die Verwendung von Surrogaten aufgrund der Zeitverschiebung zu umständlich war. Jedenfalls war klar, daß der Stellvertreter diese spezielle Frage nicht beantworten wollte.
Im Hotel stupste ihn jemand an der Schulter an. »Ich bin gleich fertig«, sagte er, ohne die Augen zu öffnen. In seiner Hand materialisierte ein Drink, ebenso kalt und schlüpfrig von kondensierter Feuchtigkeit, wie es ein reales Glas gewesen wäre.
»Eine Frage«, meinte der Stellvertreter nach einer Weile. »Hat Korda etwas gegen Sie?«
»Korda! Warum sollte Korda etwas gegen mich haben?«
»Das frage ich mich auch, wissen Sie. Er hat kürzlich ein paar seltsame Bemerkungen fallen lassen. Es ging darum, Ihre Position zu eliminieren und Ihre Verantwortlichkeiten Philippe zu übertragen.«
»Das ist ja absurd. Mein Arbeitspensum könnte niemals ...«
Philippe riß die Arme hoch. »Ich habe nichts damit zu tun - ich will Ihren Job nicht. Ich bin jetzt schon überlastet.«
»Okay«, meinte der Bürokrat ungläubig. »In Ordnung. Erzählen Sie mir genau, was Korda zu Ihnen gesagt hat.«
»Ich weiß nicht. Schauen Sie mich nicht so an! Ich weiß es wirklich nicht. Philippe hat mir gegenüber nur ein paar vage Andeutungen gemacht. Wenn er könnte, würde er sein Wissen sogar vor sich selbst verbergen. Hören Sie - in ein paar Stunden verschmelze ich wieder mit ihm. Soll ich ihm etwas ausrichten? Er könnte sich einschleusen und mit Ihnen reden.«
»Das wird nicht nötig sein.« Der Bürokrat schluckte seinen Ärger hinunter, verbarg ihn vor dem Stellvertreter. »Ich müßte seinen Fall in ein paar Tagen gelöst haben. Dann kann ich persönlich mit ihm sprechen.«
»Sind Sie so dicht dran?«
»Aber ja. Von Gregorians Mutter habe ich einen Haufen Informationen bekommen. Einschließlich eines alten Notizbuchs von Gregorian. Es ist voller Namen und Adressen.« Tatsächlich enthielt das Buch vor allem okkulte Diagramme und Zeremonialvorschriften - lauter Schlangen, Becher und Dolche -, die der Bürokrat unverständlich und ermüdend fand. Abgesehen davon, daß es Aufschlüsse über den Charakter des jungen Gregorian und seinen jugendlichen Größenwahn zuließ, war die einzige handfeste Spur der Hinweis auf Madame Campaspe gewesen. Der Bürokrat wollte Philippe jedoch Stoff zum Nachdenken geben.
»Gut, gut«, meinte der Stellvertreter. Er schaute auf seine Hand hinunter und schwenkte die Flüssigkeit, die nur er in seinem imaginären Glas wahrzunehmen vermochte. »Warum schmeckt das Zeug, wenn's übers Netz kommt, eigentlich immer schlechter, als wenn man's persönlich trinkt?«
»Das liegt daran, daß man übers Netz nur den Geschmack bekommt, aber der körperliche Flash vom Zucker und so fehlt.« Philippe machte ein verständnisloses Gesicht. »Das ist, als tränke man Bier übers Netz - nur Geschmack, kein Alkohol. Die physische Komponente des Apfelsafts ist bloß nicht so ausgeprägt, aber während der Körper den Unterschied spürt, kommt man einfach nicht dahinter, was fehlt.«
»Sie kennen sich auf jedem Gebiet ein bißchen
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