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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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schon eine Meile weg und rennt um sein Leben. Warten Sie hier, ich requiriere irgendwo eine Schubkarre.«
    Als sie vom Fluß zurückkamen, war die Bar verlassen und der Barkeeper verschwunden. Er hatte nicht einmal den Fernseher ausgeschaltet. Chu trat hinter die Theke, fand eine Flasche Remscela und schenkte sich und dem Bürokraten einen Drink ein. »Auf das Verbrechen«, sagte sie.
    »Das paßt mir immer noch nicht, sie einfach so entwischen zu lassen.«
    »Die Durchsetzung des Rechts ist ein schmutziges Geschäft«, spottete Chu. »Und hier unten gibt es erheblich mehr Schmutz als dort oben in Ihrem Wolkenkuckucksheim. Kopf hoch, und genießen Sie Ihren Drink wie ein Erwachsener.«
    Im Fernsehen unterhielt sich ein Mann mit dem alten Ahab über dessen Zwillingsbruder, der vor langer Zeit im Meer verschwunden war. Mörder! rief Ahab. Er war dein Bruder, und du warst für ihn verantwortlich!
    Bin ich meines Bruders Hüter?
    Von beiden unbemerkt spähte eine Meerjungfrau durchs Fenster zu ihnen herein, die Augen staunend und qualvoll geweitet.

5 - Hunde in den Rosen
    Die Wachsblumengirlanden waren mittlerweile sämtlich erleuchtet, rot-blau-gelb-weiße Lichtflecken schwankten in der Luft, und die Musik war wild und drängend, ein magnetisches Feld, das die in unsichtbaren Kraftlinien gefangenen Feiernden umherwirbelte, ein ausgelassener Tanz. Unter den Verkleidungen gab es schlichtere Maskenkostüme, solche, die eher repräsentativ als interpretierend waren, Engel mit einem sinnlichen Lächeln, Clowns und sentimentale Teufel mit Spitzbärten und Mistgabeln. Ein betrunkener Satyr schwankte auf kurzen Stelzen vorbei, behaart und fast nackt, Panflöten in den ausgestreckten Armen schwenkend, damit er nicht umfiel.
    Der Bürokrat fand Chu hinter dem Musikpavillon, wo sie gerade mit einem jugendlichen Großmaul becherte. Sie lehnte sich an ihn, die eine Hand beiläufig auf sein Gesäß gelegt, und versuchte ihm einen Pappbecher zu entwinden. »Nein, davon brauchst du nichts mehr«, meinte sie geduldig. »Wir haben noch was Besseres vor ...« Der Bürokrat zog sich unbemerkt zurück.
    Er ließ sich von der Menge die Hauptstraße eines verwandelten Rosendal entlangspülen, vorbei an Tanzböden, allerlei Belustigungen und Peepshows. Er drängte sich durch eine Ansammlung von Surrogaten - die sich am Rand hielten, da sie nicht körperlich anwesend waren - und schaute sich eine Weile die Kostümdarbietungen an, wobei er von einer Gruppe rüpelhafter Soldaten mit Armbinden der Evakuierungsbehörde, die johlten, pfiffen und ihre Favoriten bejubelten, gegen die Bühne gedrückt wurde. Die Darbietung war für seinen Außenweltlergeschmack zu exotisch, darum schlenderte er weiter durch die Düfte nach gebratenem Eber, gegorenem Apfelmost und einem Dutzend verschiedener Elfenspeisen.
    Kinder tauchten vor seinen Füßen auf, lachten und waren gleich wieder verschwunden.
    Irgend jemand rief seinen Namen, und als der Bürokrat sich umdrehte, stand vor ihm der Tod. Aus den Augenlöchern der Totenkopfmaske drang ein flackerndes blaues Licht, und zwischen den metallenen Rippen sah man durch bis aufs Cape. Der Tod reichte ihm einen Becher Bier.
    »Und wer sind Sie?« fragte er lächelnd.
    Der Tod nahm seinen Ellbogen und führte ihn fort aus dem hellerleuchteten Mittelpunkt des Geschehens. »Ach, lassen Sie mir doch meine Geheimnisse. Schließlich feiert man die Große Flut.« Das zerlumpte schwarze Cape des Todes roch modrig; der Kostümverleiher hatte seinen Vorteil aus dem eingeschränkten Geruchssinn seines fernen Kunden gezogen. »Jedenfalls bin ich ein Freund.«
    Sie gelangten zu einer Fußgängerbrücke, die über das Flüßchen führte und den Stadtrand markierte.
    Das Licht verblasste, und die dichtgedrängte Gebäude lagen schweigend und bedrückend finster da. »Haben Sie Gregorian bereits aufgespürt?« erkundigte sich das Surrogat.
    »Wer sind Sie?« fragte der Bürokrat, ohne zu lächeln.
    »Nein, natürlich nicht.« Der Tod wandte zerstreut den Kopf. »Verzeihen Sie, jemand hat gerade ... Nein, ich habe jetzt keine Zeit ... Ist gut, lassen Sie's einfach da.« Dann wieder unmittelbar zum Bürokraten: »Tut mir leid. Hören Sie, ich habe bedauerlicherweise keine Zeit. Wenn Sie Gregorian finden, sagen Sie ihm, daß jemand, den er kennt ... sein Gönner, sagen Sie ihm, daß ihn sein alter Gönner wieder aufnehmen will, wenn er mit seinen Verrücktheiten aufhört. Haben Sie verstanden? Das wollen Sie doch auch?«
    »Nicht

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