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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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einem Planeten tätig werden wollte, wo der Einsatz hochentwickelter Technik unvermeidlich war. »Hallo«, sagte der Bürokrat, »ich bin ...«
    »Ich weiß, wer Sie sind. Was wollen Sie?«
    Irgendwo tröpfelte Wasser.
    »Ich suche eine Frau namens Theodora Campaspe.«
    »Die mit der Ratte?« Die Sibylle blickte ihn unverwandt an. »Wir haben zahlreiche Informationen über die berüchtigte Madame Campaspe. Aber ob sie nun lebt oder ob sie tot ist, ihr Aufenthaltsort ist uns jedenfalls nicht bekannt.«
    »Es heißt, sie sei ertrunken.«
    Die Sibylle spitzte die Lippen und blinzelte schlau. »Kann sein. Sie wurde seit etwa einem Monat nicht mehr gesehen. Die Verbrennung ihrer Kleider auf dem Altar des Heiligen Jones in der Nähe von Rosendal ist gut dokumentiert. Das alles ist allerdings bestenfalls nebensächlich. Vielleicht will sie bloß nicht, daß man sie findet. Außerdem ist die Hälfte unserer Daten fehlerhaft; vielleicht kümmert sie sich lediglich um ihre eigenen Angelegenheiten, ohne jemanden irreführen zu wollen.«
    »Aber das glauben Sie nicht.«
    »Nein.«
    »Worin bestehen diese Angelegenheiten? Was tut eine Hexe eigentlich?«
    »Diese Bezeichnung hätte sie niemals verwendet«, meinte die Sibylle. »Sie hat einen verhängnisvollen politischen Beiklang. Madame Campaspe bezeichnete sich immer als Spiritualistin.« Ihre Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an, als sie nach weiter auseinanderliegenden Informationsschnipseln suchte. »Die meisten Leute machten diese Unterscheidung allerdings nicht. Sie kamen nachts mit Geld und Wünschen an ihre Tür. Sie wollten Aphrodisiaka haben, Verhütungsmittel, Körperlotionen, Pulver für Totgeburten, um es vor ihren Feinden auszustreuen, Mittel zur Vergrößerung der Brüste und zur Umwandlung männlicher in weibliche Genitale, Kerzen zur Beschwörung der Gesundheit, Liebestränke und Mittel gegen Hämorrhoiden. Uns liegen eidesstattliche Erklärungen vor, sie könne sich häuten wie ein Gespenst und sich in einen Vogel oder einen Fisch verwandeln, ihren Feinden das Blut aussaugen, Kinder mit Masken erschrecken, treulose Ehemänner über alle Berge jagen, so daß sie Tage für die Rückkehr bräuchten, Glocken in den Baumkronen läuten, einem Träume senden, die den Verstand rauben oder zu irgendwelchen Handlungen verleiten, nach dem Schwimmen aus dem Fluß steigen, ohne Fußspuren zu hinterlassen, Tiere töten, indem sie sie anhaucht, den Aufenthaltsort von Ararat offenbaren und das Vorhandensein einer Gehirndrüse nachweisen, deren Sekret schon beim ersten Mal süchtig macht, zur Mittagszeit umherwandeln, ohne einen Schatten zu werfen, den Zeitpunkt des Todes Voraussagen, Krieg prophezeien, Wahnvorstellungen heilen. Wenn Sie noch mehr hören wollen, könnte ich den ganzen Tag mit dieser Aufzählung fortfahren.«
    »Wie steht es mit dem Magier Aldebaran Gregorian? Was wissen Sie über ihn?«
    Sie neigte den Kopf und konzentrierte sich auf die Suche nach Informationen. »Wir haben den Wortlaut seiner Werbespots, die Daten, die Ihre Abteilung dem Steinernen Haus übermittelt hat, einen von Leutnant Chu abgefaßten Bericht des Abschirmdienstes und die üblichen Anekdoten; hat Umgang mit Dämonen, begeht Blasphemien, veranstaltet Orgien, klettert auf Berge, kopuliert mit Ziegen, ißt Steine, spielt Schach, verführt Jungfrauen beiderlei Geschlechts, wandelt auf dem Wasser, hat Angst vor Regen, quält Unschuldige, verabscheut außerplanetarische Behörden, wäscht sich mit Milch, berät sich mit Mystikern auf Cordelia, verwendet Drogen bei sich und anderen, reist in Verkleidung umher, trinkt Urin, schreibt Bücher in einer vollkommen unbekannten Sprache und so weiter. Nichts davon ist verläßlich.«
    »Und natürlich wissen Sie nicht, wo ich ihn finden kann.«
    »Nein.«
    Der Bürokrat seufzte. »Da wäre noch was. Ich wüßte gern Näheres über die Herkunft eines Artefakts, das ich kürzlich gesehen habe.«
    »Haben Sie ein Foto?«
    »Nein, aber ich kann es mir deutlich vorstellen.«
    »Ich muß es ins System einspeisen. Bitte öffnen Sie eine Schnittstelle.«
    Er beschwor die entsprechenden Bilder herauf. Vor ihm erschien ein Gesicht von der zweifachen Größe eines Mannes, eine goldene Maske, die zwischen ihm und der Sibylle im Raum schwebte.
    Es war das Antlitz eines Gottes.
    In verbindlichem Ton und mit unmenschlicher Ruhe sagte der Systemverwalter: »Willkommen. Ich heiße Trinculo. Erlauben Sie, daß ich Ihnen helfe.« Sein Gesicht war so feierlich und

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