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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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aus«, meinte Philippe liebenswürdig.

    Als der Bürokrat die Augen aufschlug, wartete bereits Chu auf ihn.
    »Ich hab's rausgekriegt«, sagte sie. Wieder dieses kleine, barbarische Lächeln, ein verschwörerisches Aufblitzen der Zähne. »Gehen wir hinten raus.«
    An der Rückseite des Hotels befand sich ein langgestreckter Lagerschuppen mit einer einzigen schmalen Tür darin. Chu hatte das Schloß zertrümmert. »Ich brauche eine Lampe«, sagte der Bürokrat. Er holte eine aus seiner Aktentasche und trat ein.
    Inmitten eines Durcheinanders von Werkzeug, Gerümpel und Holzresten stand ein Dutzend neugefertigte Kisten. »Alle versandfertig«, meinte Chu. Sie stellte einen Sägebock beiseite, griff in eine Kiste hinein, die sie bereits geöffnet hatte, und reichte dem Bürokraten ein Muschelmesser genau wie jenes, das er bereits gesehen hatte.
    »Dann schmuggeln sie also Artefakte, genau wie wir gedacht haben, wie?«
    Chu holte ein zweites Muschelmesser heraus, ein drittes, ein viertes.
    Sie waren alle identisch.
    »Es ist auch noch anderes Zeug da. Keramik, Grabstöcke, Gewichte für Fischnetze. Alles in mehrfacher Ausführung.« Sie griff ins Dunkel. »Sehen Sie mal, was ich noch gefunden habe.«
    Es war eine Aktentasche, das perfekte Ebenbild der Tasche, die der Bürokrat in der Hand hielt. An der Markierung sah man, daß sie aus seiner Abteilung stammte.
    »Erkennen Sie das Strickmuster? Sie besitzen ein paar echte Artefakte der Drule, speisen sie in die Aktentasche ein und fertigen Kopien an. Dann geben sie die Originale wieder zurück. Oder vielleicht auch die Kopien, ich glaube nicht, daß das viel ausmachen würde.«
    »Höchstens für einen Archäologen. Vielleicht nicht einmal für den.«
    »Haben Sie herausbekommen, woher das Messer stammt?«
    »Das Original kommt aus Cobbs Creek«, sagte der Bürokrat. »Es wird im Dryhaven-Museum ausgestellt.«
    »Cobbs Creek liegt nur ein Stück den Fluß hinunter. Nicht weit von Clay Bank.«
    »Mich interessiert weniger, woher die Artefakte stammen, als vielmehr, wie die Fälscher in den Besitz einer unserer Aktentaschen gekommen sind. Haben Sie sie schon befragt?«
    »Nicht so eilig.« Chu öffnete die Aktentasche einen Spalt weit, so daß er das geschwärzte und blasige Innere sehen konnte. »Sie ist durchgebrannt.«
    »Idioten.« Der Bürokrat holte zwei Kabel aus seiner Aktentasche und verband beide Taschen miteinander. »Ist wohl überlastet worden. Das ist ein hochempfindliches Gerät; wenn man ihm befiehlt, Kopien anzufertigen, und nicht darauf achtet, daß die nötigen Grundstoffe in ausreichender Menge vorhanden sind, dann geht es kaputt bei dem Versuch, die Anweisungen zu befolgen. Ich brauche sämtliche Angaben aus dem Speicher.«
    Es dauerte einen Moment, dann antwortete seine Aktentasche: »Es ist nur noch die Identifizierungsnummer vorhanden. Bevor sie den Geist aufgab, hat sich die gesamte Isolierung aufgelöst, und der geschützte Speicher ist ausgebrannt.«
    »Mist.«
    »Packen Sie mal bei dieser Kiste mit an«, meinte Chu.
    Ächzend und japsend schleppten sie die Kiste nach draußen und ließen sie auf den Boden krachen. Der Bürokrat holte seine Aktentasche, nahm ein Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Und wenn der ganze Lärm nun die Fälscher alarmiert?«
    »Das hoffe ich doch sehr.«
    »Hä?«
    Chu holte einen Zigarillo aus der Tasche und zündete ihn an. »Meinen Sie etwa, die örtlichen Behörden buchten deswegen jemanden ein? Jetzt, wo die Große Flut kurz vor der Tür steht? Einen unbedeutenden kleinen Fälscherring, der wahrscheinlich nicht einmal Einheimische betrogen hat? Glauben Sie mir, dieses Zeug wird an Touristen verkauft. Sowas nennt man hier ein Verbrechen ohne Opfer. Die Aktentasche hätte einen größeren Wirbel gemacht, aber sie ist kaputt. Wie auch immer, es ist ein brandheißes Gerücht in Umlauf, das besagt, das Steinerne Haus wolle wenige Tage vor der Flut eine Generalamnestie für Verbrecher im Tideland verkünden. Um der Evakuierungsbehörde die Arbeit zu erleichtern. Deshalb wird sich die örtliche Polizei nicht gerade ein Bein ausreißen deswegen. Ich glaube, wir haben nur zwei Möglichkeiten. Die erste ist, das Zeug in den Fluß zu schmeißen, damit niemand mehr Profit daraus schlagen kann.«
    »Und die zweite?«
    »Soviel Krach zu schlagen, damit alle Beteiligten wissen, daß wir ihnen auf den Fersen sind. Die wissen nämlich noch nichts von der Amnestie. Ich schätze, der Barkeeper ist

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