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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Bürokrat. »Das muß furchtbar für Sie sein.«
    Vasli schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Er war ich, und gleichzeitig hat er mich dazu verdammt, hier zu sterben - wortlos, körperlos, allein.«
    Das blinde Gesicht starrte durch die Schichten der schwebenden Stadt in das Dunkel des Weltraums hinaus. »Ich stelle mir immer wieder vor, wie es wäre, über die Wiesen von Storr zu wandern, den Chukchuk und den Rhu zu riechen. Die vor den westlichen Sternen in allen Farben leuchtenden Gräser zu sehen und die Blumen singen zu hören! Ich glaube, dann könnte ich zufrieden sterben!«
    »Sie können jederzeit dorthin zurückkehren.«
    »Sie verwechseln das Signal mit der Botschaft. Es stimmt, ich könnte mich kopieren lassen und dieses Signal nach Deneb senden. Aber ich würde hier zurückbleiben. Ich könnte mich dann zwar umbringen, aber welchen Nutzen hätte das, außer daß es das Gewissen meines Stellvertreters beschwichtigen würde?« Er betrachtete den Surrogatkörper des Bürokraten und lupfte spöttisch den Rand der Maske. »Ich erwarte nicht, daß Sie das verstehen.«
    Der Bürokrat wechselte das Thema. »Dürfte ich Sie fragen«, meinte er, »womit sich das Komitee, dessen Mitglied sie sind, befaßt?«
    »Das Bürgerkomitee für die Verhinderung des Genozids, meinen Sie? Eben damit. Das Problem der Vernichtung von Eingeborenenvölkern existiert in allen kolonisierten Systemen. Für Miranda ist es mittlerweile natürlich zu spät, aber vielleicht gelingt es uns, eine Erklärung zu verfassen, die es wert ist, sie nach Hause zu senden.«
    »Es könnte sein«, sagte der Bürokrat vorsichtig, »daß Sie ein wenig zu pessimistisch sind. Ich ... äh ... kenne Leute, die Drule gesehen haben, die ihnen tatsächlich begegnet sind und sich erst kürzlich mit ihnen unterhalten haben.«
    »Nein. Das ist ausgeschlossen.«
    Die bedingungslose Gewißheit des Denebers verblüffte den Bürokraten. »Warum?«
    »Weil jede Spezies eine bestimmte Populationsgröße zu ihrem Überleben braucht. Sinkt die Bevölkerungszahl unter eine bestimmte Grenze, ist sie zum Untergang verurteilt. Es mangelt ihr an der nötigen Flexibilität, um sich den normalen Umweltveränderungen anpassen zu können. Angenommen, von einer bestimmten Vogelart existieren nur noch ein Dutzend Exemplare. Man schützt sie, worauf ihre Anzahl wieder auf tausend Exemplare ansteigt. In genetischer Hinsicht handelt es sich aber immer noch um ein Dutzend Individuen in Gestalt einer Vielzahl von Klone. Ihr Genom ist brüchig. Wenn eines Tages die Sonne auf der falschen Seite aufgeht, sterben sie alle. Eine Krankheit, die für einen Vogel tödlich ist, würde alle umbringen. Es gibt zahllose Möglichkeiten.
    Von Ihren Drulen kann es nicht viele geben, sonst wüßte man von ihrem Vorhandensein. Korda ist anderer Meinung, aber er ist ein Narr. Es ist belanglos, ob ein paar Individuen überdauert haben. Als Spezies sind sie tot.«
    In diesem Moment kam Korda zurück. »Sie können jetzt reingehen«, sagte er. »Das Komitee möchte sich mit Ihnen unterhalten. Was man Ihnen zu sagen hat, wird Sie freuen, glaube ich.« Man mußte Korda schon sehr genau kennen, um dem übertrieben höflichen Unterton seiner Stimme entnehmen zu können, daß er soeben eine seiner seltenen Niederlagen eingesteckt hatte.
    Vasli verneigte sich knapp vor dem Bürokraten und schwebte hinaus. Korda sah ihm nach.
    »Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie sich auch für Drule interessieren«, bemerkte der Bürokrat.
    »Drule sind meine einzige Leidenschaft«, antwortete Korda unbedacht. Rasch verbesserte er sich: »Mein einziges Hobby, wollte ich sagen.«
    Doch nun war es heraus. Die Enthüllung stürzte kaskadenartig in die Vergangenheit wie eine Reihe umkippender Dominosteine. Tausend kleine Bemerkungen, hundert verpaßte Sitzungen, ein Dutzend politische Kehrtwenden, alles fand auf einmal seine Erklärung. Der Bürokrat versuchte sich nichts anmerken zu lassen. »Also, was gibt's?« fragte Korda. »Was wollen Sie?«
    »Ich brauche einen Flieger. Das Steinerne Haus hält mich hin, ich warte jetzt schon wochenlang. Wenn Sie ein paar Fäden ziehen würden, könnte ich diese Angelegenheit binnen eines Tages zum Abschluß bringen. Ich weiß, wo Gregorian sich momentan aufhält.«
    »Tatsächlich?« Korda musterte ihn scharf. Darm: »Also gut, ich mach's.« Er berührte ein Datenterminal. »Morgen früh wird er in Tower Hill auf Sie warten.«
    »Danke.«
    Korda zögerte

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