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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Esme«, sagte er, und obwohl er hatte sanft klingen wollen, kam es doch nicht so heraus. »Was, meinen Sie, wäre für Gregorian leichter zu bewerkstelligen - seine Mutter umzubringen oder Sie einfach anzulügen?« Ihr Gesicht war flammendrot. Er vermochte nicht länger darin zu lesen. Er war sich nicht mehr sicher, ob sie sich von etwas derart Simplem und Reinem leiten ließ wie Rache. Aber jetzt war es zu spät, um Einfluß auf sie zu nehmen. Er deutete auf die gegenüberliegende Tür. »Sie können jetzt gehen.«
    Als sie verschwunden war, öffnete der Bürokrat den Karton. Als er sah, was darin war, sog er scharf die Luft ein, doch er empfand keine Überraschung, bloß eine überwältigende Melancholie. Er ging hinaus zur Bar und zum dort wartenden Surrogat. »Das ist für Sie«, sagte er. »Von Ihrem Sohn.«
    Korda schaute verständnislos zu ihm hoch. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Ersparen Sie mir das. Sie wurden dabei ertappt, daß Sie Umgang mit dem Gegner pflegen, verbotene Technik benutzen, gegen das Embargo verstoßen, das öffentliche Vertrauen mißbrauchen - und endlos so weiter. Glauben Sie ja nicht, ich könnte das nicht beweisen. Ein Wort von mir, und Philippe fällt über Sie her. Anschließend werden nur noch die Abdrücke seiner Zähne auf Ihren Knochen übrig sein.«
    Korda legte seine Hände flach auf die Theke und senkte den Kopf. Versuchte sich wieder in die Gewalt zu bekommen. »Was wollen Sie wissen?« fragte er schließlich.
    »Erzählen Sie mir alles«, meinte der Bürokrat. »Von Anfang an.«

    Sein Scheitern führte den jungen Korda zur Jagdhütte in Shanghai. Er war in einem Alter in den öffentlichen Dienst eingetreten, als der Palast der Rätsel noch neu gewesen war und das kulturelle Leben geprägt von Geschichten über gefährliche Techniken, als die Gesellschaftssysteme noch im Wiederaufbau befindlich waren. Er wollte jedermann übertreffen. Das wilde Pferd der Technik war jedoch bereits zugeritten und gezügelt. Die Schutzmauern waren errichtet, das Universum gezähmt. Es gab keine neuen Welten zu erobern, und die alten hatte man sicher verschlossen. Wie so viele andere seiner Generation hatte ihn diese Erkenntnis wurzellos gemacht und verbittert.
    Tag für Tag fuhr Korda mit dem Boot in die Marsch hinaus oder spazierte in den flachen Korallenhügeln umher, wobei er voller Selbstverachtung möglichst viele Lebewesen tötete. An manchen Tagen war das Marschwasser mit Federn bedeckt, doch trotzdem fand er keinen Frieden. Er tötete mehrere Behemoths, nahm jedoch keine Trophäen mit, und das Fleisch war natürlich ungenießbar.
    Als er eines Tages zur heißen Mittagszeit mit geschultertem Gewehr eine Wiese durchstreifte, sah er eine Frau nach Würmern graben. Sie hielt in ihrer Arbeit inne, zog beiläufig die Bluse aus und wischte sich damit den Schweiß von Gesicht und Brüsten. Korda blieb stehen und schaute ihr gebannt zu.
    Als ihn die Frau bemerkte, lächelte sie. Aus der Ferne hatte sie zunächst unscheinbar gewirkt, doch nun, im geringfügig veränderten Licht, sah er, daß sie wunderschön war. Komm bei Sonnenuntergang mit ein paar Zaunkönigweibchen vorbei, dann bereite ich sie für dich zu.
    Als er wiederkam, hatte die Frau ein Feuer gemacht. Sie saß auf einer Decke davor. Er legte ihr seinen Fang zu Füßen. Später, nachdem sie ihren Anteil an den Vögeln verspeist hatten, die zwar wohlschmeckend sind, aber nicht sättigen, öffnete sie seine Hose, zog den Rock über die Hüften hoch, ergriff sein Glied und ließ es in sich hineingleiten.
    Schon damals, noch ohne den schärferen Blick der Retrospektive, kam es ihm so vor, als veränderte sich das Gesicht der Frau, während sie kopulierten. Im flackernden Feuerschein war es schwer zu erkennen. Doch ihm kam es so vor, als würde es runder, eckiger, schlanker. Es war, als gäbe es unter ihrer Haut tausend verschiedene Gesichter, die zur Oberfläche empordrängten, als die Leidenschaft sie übermannte. Sie saß rittlings auf ihm und bewegte sich heftig, als wäre er ein Tier, das sie mit einem einzigen Galopp zuschanden reiten wollte. Sie lehrte ihn, seinen Orgasmus hinauszuzögern, damit er solange durchhielt, wie sie es wünschte.
    »Hat sie Sie tätowiert?« fragte der Bürokrat.
    Korda wirkte überrascht. »Nein, natürlich nicht.«
    Als die Frau mit ihm fertig war, war die Glut am Erlöschen. Er legte sich träge unter ihr zurück und schloß die Augen, sank der Bewußtlosigkeit und dem Schlaf entgegen. Doch

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