Ina: Der Konflikt (German Edition)
flüsternd fest. „In Gesellschaft allgemein schwer zu finden“, erwiderte sie ihm kühl und fragte sich, was er hier wollte. Wenn man befand, dass sie zulange weg war, dann hätte Decha sie einfach zurück bringen können. „Deine Pupillen sind geweitet.“ Seine waren winzig, wie Ina erkannte, als sie ihn ansah. So klein wie Stecknadeln, dass das unbeschreiblich klare Blau seiner Augen sie beinahe erschlug und einen Schauer durch ihren Körper jagte. „Du solltest deine Augen schonen.“ War das seine Art ihr zu sagen, dass er ihre Abstammung erkannt hatte? Und wieso duzte er sie eigentlich? „Womit behandelst du es?“ Das ging jetzt wohl wirklich zu weit. – Vermutlich. Sicher war sie sich nicht. „Verzeihung Sir. Ich wollte ihren Kapitän nicht so lange aufhalten. Er hat sicherlich wichtigeres zu tun, als mir hinter her zu laufen.“ Damit erhob sie sich und machte sich auf den Rückweg, gefolgt von Decha. Botschafter Neche blieb dort oben sitzen und genoss die Aussicht.
Kapitel 18
Am nächsten Morgen oder vielleicht war es auch die nächste Nacht – das war hier wirklich schwer zu eruieren, wenn man nicht ständig nachrechnete und die Zeitanzeigen auf den seranischen Standard umrechnete – trug Demir zwei Teller zu ihr unter den Schatten des Baumes, wo sie sich seit einiger Zeit aufhielt. In ihrem Stuhl zurückgelehnt, betrachtete sie die Blätter des Baumes, beobachtete einige geradezu riesige Insekten, die um und in der Baumkrone umherflogen. Hörte wie der Wind über die Mauer bliess. – Als ob sie keine Sorgen hätte. Demir hatte den Teller vor ihr auf den kleinen runden Tisch gestellt und las irgendetwas. „Sie sind nicht sehr gesprächig Miss Norak“, seine Augen blieben auf dem Pad. Nach einer Minute fuhr er fort: „Sie machen Khaled Komkurrenz, Miss Norak.“ Diese Bemerkung war ebenso trocken wie die davor und er sah immer noch auf sein Pad. Auch darauf erwiderte sie nichts und sah weiter in den Baum. Demir las weiter und blieb geduldig neben ihr sitzen. Ina war klar, dass er lieber etwas anderes gemacht hätte. Er genoss die Natur nicht auf dieselbe Art wie sie. Fünf Minuten an der frischen Luft reichten ihm vollkommen, um zu sagen er habe es genossen und einfach nur da sitzen und schweigen entsprach noch weniger seiner Art. Viel lieber hätte er sie wahrscheinlich provoziert und sich mit ihr gestritten. Aber damit wäre er das Risiko eingegangen, dass sie wieder für Stunden verschwunden wäre und er gar keine Gesellschaft mehr gehabt hätte, was ihn noch mehr störte als eine stumme Gesellschaft.
Irgendwann begann er auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. Ina konnte sich ein Lächeln nicht verhalten: „Sie müssen nicht hier bleiben, Botschafter Demir.“
„Sie sprechen ja doch. – Nur noch drei Stunden. Dann können wir gehen.“ Wohin wollte er gehen? „Es sei denn, sie haben etwas anderes vor, Miss Norak.“
„Ich dachte an schlafen.“ Jetzt lachte er sie aus: „Können sie ohnehin nicht.“
„Wohin wollen sie?“
„Es gibt hier ein beinahe einzigartiges Naturschauspiel.“
„Und das wäre?“
„Es wird ihnen gefallen.“ Ina drehte ihren Kopf wieder ab. – Sie sassen schon lange da, Demir musste mittlerweile wieder hungrig sein. „Wir könnten vorher etwas essen gehen.“
„Sie laden mich zum Essen ein?“
„Nein. – Sie mich“, sie sagte es beiläufig, als ob es selbstverständlich wäre und warf ihm dabei einen ebenso selbstverständlichen Blick zu. „Aber nicht in diesem Aufzug, Miss Norak.“ Was war daran nicht in Ordnung? „Das Kleid das sie haben ist passender.“
„Vielleicht. Aber sie werden auch damit klar kommen.“ Er neigte seinen Kopf: „Vielleicht. – Aber wenn man zu einem Essen eingeladen wird, Miss Norak, sollte man es dementsprechend würdigen“, dabei lachte er sie an. „Ich warte hier auf sie.“
Es war ein eigenartiges Gefühl, als sie durch den Aufenthaltsraum lief und von Chevrin und Neche gemustert wurde. Demir wartete an Ort und Stelle und empfing sie mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck, zog ihren Arm unter seinen und führte sie zum Ausgangstor. Natürlich wurden sie von zwei tumanischen und zwei Wachen der nV begleitet.
In langsamem Tempo gingen sie die Strasse entlang. Demir schien sich entschieden zu haben wohin er gehen wollte. Er bog zielsicher mehrfach ab und nach kurzem erreichten sie ein kleines unscheinbares Restaurant.
Drei Stufen führten hinauf zu der Eingangstür, die man altertümlich aufstossen
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