Ina: Der Konflikt (German Edition)
Decha sassen am selben Tisch, als Demir Neven einen Vortrag darüber hielt. Ina's strenger Blick streifte Achri kurz und Neche ergriff die Gelegenheit, das Thema zu wechseln: „Dann wird General Nilia also seine Verletzung noch tragen, wenn er hier erscheint?“
„Mit Sicherheit.“
„Was bedeutet es, dass er auf dem Weg hier her ist?“ Ein gelungener Übergang. „Politisch oder strategisch?“
„Strategisch“, brachte Kichlep vor. „Ich weiss es nicht. Wie sie wissen bin ich kein Soldat.“ Achri schmunzelte: „Und politisch?“
„Ich weiss es nicht. Wie sie wissen bin ich keine Politikerin.“ Jetzt lachte Achri leise. – Vermutlich war er der älteste der Botschafter. Oder vielleicht war Chevrin etwas älter als er. Kichlep und Gechru – die scheinbar jüngsten dieser Gruppe, ausgenommen Ina selbst natürlich – störten sich über ihre Antwort. „Was glauben sie?“ Wollte Achri wissen. „Ich bin nicht hier um meine Meinung zu äussern.“
„Wir hatten gehofft, sie könnten uns ein gewisses Verständnis für diese Situation vermitteln. Wie sie es bereits mehrfach getan haben.“
„Sie sollten sich an Botschafter Demir wenden. Ich bin nicht befugt ihnen irgendetwas zu sagen. Geschweigedenn ein Verständnis für unsere politische oder militärische Situation zu vermitteln.“
„Sie hatten auch nicht die Befugnis mit Botschafter Chevrin zu sprechen, als ich und Kapitän Decha entführt wurden. Aber sie haben es getan.“
„Ja. Das war ein Fehler den ich nicht wiederholen werde.“
„Hätten sie das nicht getan, wären wir vielleicht mit Schiffen in ihren Raum eingeflogen. Die Konsequenz daraus dürfte uns allen bekannt sein.“
„Und die Konsequenz für mich könnte eine Anklage sein.“ Das liess jeden am Tisch sofort wieder unglaublich ernst werden. „Haben sie mich hergebeten, damit ich sie über unsere Situation informiere?“ Achri schüttelte den Kopf: „Nein.“
„Dann sollten sie das Thema wechseln. Bitte.“
„Sie weigern sich also?“ Auf Gechru's Beteiligung an diesem Gespräch hätte Ina gerne verzichtet. „Von weigern kann wohl keine Rede sein, Botschafter Gechru. Sie scheinen zu vergessen, dass ich keiner ihrer Spione bin.“
„Und sie scheinen zu vergessen woher sie stammen!“ Ina forschte nach ihren Gefühlen aufgrund dieser Aussage. Ja, da war Wut. Sie hielt sich jedoch in Grenzen. In den letzten Tagen hatte sie genug erlebt, dass ihr diese Aussage nun irrelevant erschienen. Sie lehnte sich zurück: „Meine Abstammung, Botschafter Gechru, sehe ich täglich in meinem Spiegelbild. Und wenn ich keinen Spiegel zur Hand habe, brauche ich bloss in die Augen eines Seraners auf den Strassen zu blicken, um mich durch dessen offensichtliche Antipathie daran zu erinnern!“
„Wirklich?! Wieso bleiben sie dann bei ihnen? Gehen zu ihnen ins Bett?! Zu jedem!“
„Gechru!“ Chevrin's Stimme war lauter als Gechru's, doch es war noch ein Flüstern. Ina setzte ein Lächeln auf, Gechru's Aussage war bedeutungslos. „Wohin sollte ich denn sonst gehen Botschafter Gechru? Würde ihre Regierung mich aufnehmen? Eine Hure der Seraner?“ Sie benötigte nicht viel Selbstbeherrschung, um ihre Stimme nicht zu erheben. Es war lediglich ein energisches Flüstern. Ihre Augen zogen ihn über den Tisch hinweg in den Bann. „Was würde mich unter ihnen erwarten? Andere verächtliche Blicke? So wie ihrer?“
„Sie wären keine Blutsverräterin!“ Chevrin schlug beide Hände flach auf die Tischplatte: „Gechru! Das reicht!“
„Blutsverräterin“, wiederholte Ina diese Worte beinahe resigniert. „Bitte entschuldigen sie ihn.“ Ina wechselte ihren Blick von Gechru zu Achri und zu jedem anderen an diesem Tisch: „Im Grunde sagt er doch nur, was sie alle denken.“
„Nein“, wandte Chevrin sofort ein. Ina betrachtete ihn lange. Es war nachvollziehbar. – Sie würde dasselbe über einen Seraner denken, der bei den Tuma lebte. „Sie verfügen mittlerweile über viele Informationen was mich betrifft. Aber ihre Informationen sind Lückenhaft. Es überrascht mich nicht, dass ich in ihren Augen eine Blutsverräterin bin, die noch dazu zu jedem Seraner ins Bett steigt. – Lücken füllt man gerne mit Fantasien“, Ina flüsterte leise und sah in Gechru’s unterkühlte Augen: „Füllen sie ihre Lücken mit Tatsachen, Botschafter“, damit meinte sie jeden am Tisch, nicht nur Gechru. „Ich war sechs Jahre alt, als ich von Neven Norak nach Seran gebracht wurde. Er fragte mich nicht nach meinem
Weitere Kostenlose Bücher