Ina: Der Konflikt (German Edition)
„Natürlich Sir. Aber natürlich werde ich es ihnen nicht sagen.“ Sebiha studierte kurz ihre Gesichtszüge: „Natürlich“, er schob ein Stück Fleisch in seinen Mund, kaute langsam darauf herum, spülte es mit Wasser herunter und richtete seine Augen wieder zu ihr: „Sie hätten Seran verlassen und Neven gesucht.“ Eine selbstverständliche Feststellung, für die er von seiner Frau erneut einen strengen Blick erhielt. „Sie messen Neven eine zu grosse Bedeutung in meinem Leben zu, Sir.“
„Kann man die Bedeutung des Mannes der sie aufgezogen hat überbemessen Miss Norak?“
„Sie tun es gerade Sir“, Ina versuchte gleichgültig zu klingen. „Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Vor allem in ihrem jungen Alten. Er muss wie ein Vater gewesen sein.“
„Er war es nicht!“ Ihre Stimme wurde unbeabsichtigt lauter, Wut hatte sich darin angesiedelt. Ständig hörte sie, dass er wie ein Vater für sie gewesen seien musste. Wie sie diese Aussage hasste! Sebiha sah sie mit nichts sagender Miene an, seine Frau war über Ina’s Reaktion erstaunt. „War es sehr schwer, als sie begriffen, dass er sie verraten hat?“ Dea blickte ihren Mann an: „Das reicht Ven.“ Ina richtete ihre Augen von Sebiha zu seiner Frau und dann auf ihren Teller. Sie konzentrierte sich. Musste ihre Wut unter Kontrolle bringen. Sie atmete tief durch und sammelte sich, legte ihren Blick auf einen Strauch im Garten. Dann fing sie mit ruhiger Stimme an zu sprechen: „Neven Norak hat mich nicht verraten. Er war ihr Freund Botschafter Sebiha. Wie schwer war es für sie? Wie schwer wäre es für Zefa, wenn sie Seran verraten und sie zurücklassen würden? – Irgendwo dazwischen, liegt das, was ich dabei empfunden habe.“ Dea’s Augen lagen auf Ina’s Gesicht. Ebenso Sebiha’s Augen, er versuchte es sich vorzustellen. „Zehn Jahre sind eine lange Zeit, Botschafter. – Vier Jahre können ebenso lang sein, wenn man sich täglich die Frage stellt, weshalb er das getan hat. Woran es lag, dass er mich nicht mitgenommen hat. Was ihn daran hinderte. – Ja Sir, sie haben eine meiner schwächsten Stellen gefunden. Geniessen sie ihren Triumph.“ Sebiha sah sie lange an, ehe er darauf reagierte: „Es ist nicht meine Absicht ihre schwächste Stelle zu finden und mich darüber zu amüsieren Miss Ina.“
„Natürlich nicht!“
„Das ist es wirklich nicht“, wiederholte sich Sebiha. „Was sollte es sonst sein?“ Sie klopfte mit ihren Fingern auf die Tischplatte.
„Ich versuche sie zu verstehen.“ Ina forschte in seinem Gesicht. Sagte er die Wahrheit? Seine Stimme hatte nicht den Klang, als würde er lügen. Sie schüttelte ihren Kopf: „Das können sie nicht.“
„Ich verstehe.“
„Nein, das tun sie nicht.“
„Nein“, gab er nach einigen Sekunden zu: „Aber ich versuche es, Miss Ina.“ Seine Augen ruhten kurz auf ihrem Gesicht. Ina trank etwas Wasser. Eine unangenehme Ruhe hatte sich ausgebreitet. „Es war sehr schmerzhaft“, ihre Stimme war ruhig und sie sprach langsam: „Es war schmerzhaft und ist es noch.“ Sebiha studierte ihr Gesicht. Er rechnete nicht damit, dass sie sich noch dazu äussern würde. „Doch das konnten sie sich wohl selbst denken. – Natürlich würde ich Seran verlassen und ihn suchen, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte.“
„Wieso? Er hat sie zurückgelassen“, Sebiha sprach sehr behutsam. „Hat er das? – Vielleicht wollte er mich mitnehmen und das Militär kam ihm zuvor.“ Trauer lag in ihrer Stimme: „Egal wie man es dreht und wendet. Die Tatsache bleibt. Er ist weg und ich bin hier. – Er hat mich verlassen, zurückgelassen, vielleicht sogar verraten. Doch es steht ihnen nicht zu das zu bewerten. Es betrifft mich und sonst niemanden. Ich fälle ein Urteil über ihn aber zuvor werde ich ihn anhören.“ Sebiha liess diese Worte auf sich wirken. Dea’s Augen klebten an Ina’s Gesicht. – Derartige Worte, eine solche Aussage, hatte sie von jemandem in diesem Alter nicht erwartet. „Sehr vernünftige Worte, für jemanden in ihrer Position.“ Ina lächelte. Das war nicht Vernunft. Es war Hoffnung. Hoffnung, dass sie ihm nicht gleichgültig war. Dass ihm nicht egal war, was mit ihr geschah. Sebiha schwieg lange. Er holte Luft um etwas zu sagen, doch Ina hob ihre Hand: „Es reicht Botschafter. – Ich möchte dieses Thema nicht weiterführen“, sie befürchtete die Kontrolle über ihre Gefühle zu verlieren. Sebiha nickte und schwieg. Er akzeptierte ihren Wunsch.
Am Nachmittag gingen Sebiha
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