Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
Vom Netzwerk:
alles wirklich geschehen war. Dass sie die Energie fühlen konnte. Dass sie gewusst hatte, dass sich Shigen näherte. Dass sie dadurch Kanhiros Leben gerettet hatte. Ihr Kopf fühlte sich eigenartig leicht an, als hätte sie zu viel Rumeschnaps getrunken. Kündigte eine Energiewelle sich jedes Mal durch diesen körperlosen Gesang an, der nicht von dieser Welt schien? Könnte sie noch einmal eine Eruption vorhersagen und damit auch andere Hauer vor der ‚Leuchtenden Welle‘ bewahren?
    Als sich das Wasser, das sie zum Kochen aufgesetzt hatte, weit genug abgekühlt hatte, kniete Ishira sich hinter Kanhiro. Ihre Hochstimmung verflog. Die Wunde sah wirklich ziemlich böse aus. Vorsichtig tupfte sie das Blut, das bereits eine Kruste gebildet hatte, mit einem feuchten Tuch ab, bis sie den Kristallsplitter sehen konnte. Ihr Freund zuckte mit keinem Muskel. Nach einigen vergeblichen Versuchen, den Splitter herauszuziehen, gab sie auf. »Er steckt zu tief, Hiro. Ich bekomme ihn nicht richtig zu fassen.«
    Er verdrehte den Kopf und versuchte erfolglos, einen Blick auf die Verletzung zu werfen. »Nimm ein Messer zu Hilfe«, schlug er vor.
    »Aber ich bin keine Heilerin!« protestierte sie. »Ich will dir nicht noch mehr wehtun!«
    »Ich bin einiges gewöhnt«, erinnerte er sie.
    Ishira wünschte sich, sie hätte sein Vertrauen. Oder wenigstens noch einen Rest Rumeschnaps im Haus, um seine Sinne zu betäuben. Dennoch holte sie gehorsam ein scharfes Messer und hielt es kurz in die Glut des Herdfeuers. »Auf deine Verantwortung«, murmelte sie.
    »Sicher.« Kanhiro spannte seinen Rücken, um sich gegen den Schmerz zu wappnen.
    Kenjin machte den Hals lang, um besser zu sehen. Sie warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, der jedoch keine Wirkung zeigte. Die Neugier war einfach stärker. Ishira holte tief Luft und begutachtete die Verletzung noch einmal um abzuschätzen, wie tief der Splitter eingedrungen war. Dann setzte sie das Messer direkt am Kristall an und drehte es ein wenig, während sie schnitt. Kanhiro keuchte auf. Ishira presste die Lippen zusammen. Einen Wimpernschlag später hielt sie das Stück Kristall in der Hand. Seufzend stieß sie die Luft aus und merkte erst jetzt, dass sie sie die ganze Zeit über angehalten hatte. Nach einem kurzen Blick auf den Splitter ließ sie ihn angewidert in die Wasserschale fallen. Er war beinahe so lang wie ihr kleiner Finger. Rasch presste sie ein sauberes Tuch auf die Wunde, um die Blutung zu stillen, doch das würde wohl nicht reichen. Sie schluckte. »Ich werde die Wunde nähen müssen, Hiro.«
    »Das habe ich mir schon gedacht.« Seine Stimme klang etwas gepresst.
    »Kannst du aufstehen und mir mein Nähzeug bringen, Kenjin?« bat sie etwas kleinlaut, weil ihr dieser Gedanke nicht früher gekommen war.
    »Hm.« Ihr Bruder kämpfte sich mit steifen Bewegungen hoch. Während er ihren Nähkorb aus dem Wandschrank holte, wusch Ishira Kanhiros Wunde vorsichtig mit warmem Wasser aus.
    »Hier.« Kenjin reichte ihr den Korb.
    »Danke.« Sie maß ein Stück Garn ab, machte an eines der beiden Enden einen Knoten und fädelte das andere durch das Nadelöhr. Ihr Bruder blickte ihr mit fasziniertem Schaudern über die Schulter. Sie ignorierte ihn und tupfte die Verletzung trocken. Als sie die Nadel Kanhiros Rücken näherte, wurde ihr beinahe schlecht. Hoffentlich traute er ihr nicht zu viel zu!
    Bei jedem Stich zuckten sie beide zusammen und Ishira war froh, dass sie nicht mehr als drei Stiche brauchte. »War es sehr schlimm?« fragte sie ängstlich.
    Ihr Freund schüttelte den Kopf.
    Kenjin sah ihn beeindruckt an. »Du kannst wirklich ganz schön was wegstecken, Hiro.«
    Kanhiro verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen. »Dafür sollte ich mich wohl bei Henroth bedanken.«
    Ishira drückte ein zusammengefaltetes, mit Salbe bestrichenes Tuch auf die Wunde, bevor sie seine Schulter verband. »Fertig.«
    Er drehte sich um und nahm ihre Hand in seine. »Ich danke dir, Shira. Für alles.« Er schien noch mehr sagen zu wollen, doch nach einem kurzen Blick auf ihren Bruder besann er sich anders. Stattdessen fischte er den Kristallsplitter aus dem rot leuchtenden Wasser und beobachtete, wie sich das Licht in den Tropfen brach. »Ich werde ihn behalten. Als Andenken.«
    Ishira schürzte besorgt die Lippen. »Hältst du das für eine gute Idee?« Mochte sie sich beim Nähen, vor allem während der kurzen Wintertage, noch so sehr einen Kristall als Lichtquelle wünschen, war es den Inagiri doch streng

Weitere Kostenlose Bücher