Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
Vom Netzwerk:
vorbei und die Versammlung löste sich langsam auf. Die Mehrzahl der Bergleute hatte auf die Ankündigung der Ziehung sichtlich bestürzt reagiert, woraus Ishira schloss, dass heute nicht der reguläre Tag dafür gewesen war. Der Anreshir musste das Losverfahren vorgezogen haben. War das ihretwegen geschehen? Damit sie nicht länger als nötig in Oshue aufgehalten wurde?
    Die ersten Bergleute hatten bereits ihr Werkzeug erhalten. Als sie näherkamen, hörte Ishira sie über mögliche Gründe für die unerwartet frühe Lotterie spekulieren. Das bedeutete, dass der Anreshir nichts über sie und ihre Fähigkeit hatte verlauten lassen. Nun, das konnte ihr nur recht sein. Sie würde noch früh genug Fragen beantworten müssen.
    Bis jetzt hatten die Inagiri, die an ihr und Rondar vorbei die Mine betraten, sie kaum beachtet. Diejenigen, die genauer hinsahen, erkannten allerdings rasch, dass sie keine von ihnen war.
    »Hast du das Mädchen gesehen?« murmelte jemand. »Sie ist nicht aus Oshue. Wer mag das sein?«
    »Vielleicht wurde sie umgesiedelt. Wie Haruka und Yusuu vor einigen Jahren.«
    »Glaub‘ ich nicht. Sie scheint mir eher zu diesem Gohari zu gehören.«
    »Hast du ihre blauen Augen gesehen? Sie ist eine Geishiki.«
    »Vielleicht ist der Kiresh ihr Vater.«
    Ishira zuckte zusammen. Hoffentlich hatte der Bakouran die letzte Bemerkung nicht ebenfalls gehört. Die Unterstellung, sie sei seine Tochter, würde ihm kaum gefallen. Vorsichtig warf sie ihm von der Seite einen Blick zu, aber seine Aufmerksamkeit wurde von etwas anderem in Anspruch genommen. Ishira seufzte erleichtert, doch dann regte sich in ihrer Brust der vertraute dumpfe Schmerz. Warum musste man ihr ihre Herkunft nur so deutlich ansehen? Beklommen fragte sie sich, ob ihre Fähigkeit etwas daran zu ändern vermochte, wie die Inagiri ihr begegneten. Würden sie mehr als nur Verachtung für sie übrig haben, wenn sie das Leben der Hauer rettete? Oder würde sie überall, wohin sie kam, nur immer als ‚Geishiki‘ beschimpft werden?
    Ein Schatten fiel auf sie. »Hier ist deine Trägerin«, erklang direkt vor ihr die harte Stimme des Anreshir. Als Ishira den Kopf hob, sah sie den obersten Aufseher in Begleitung eines jungen Mannes, der sie verwirrt und unglücklich anblickte. Mit seinen Ponyfransen erinnerte er sie entfernt an Kenjin. Sie schätzte ihn auf Kanhiros Alter oder vielleicht ein Jahr älter. Er war auch etwa so groß wie ihr Freund, aber kräftiger gebaut. Seine Hände hielten Hammer und Meißel geradezu krampfhaft umklammert. Er räusperte sich nervös, bevor er ihr einen guten Morgen wünschte und sich als Akoshi vorstellte. Seine Stimme klang flach, als hätte er nicht genug Atem, um die Worte herauszubringen. In seinen Augen flackerte Furcht.
    Ishira erwiderte Akoshis Gruß betont herzlich und nannte ihm ihren eigenen Namen. Der junge Mann schien nicht allzu viel Vertrauen in sie zu setzen. Aber konnte sie ihm das verdenken? Schließlich hatte er nicht mehr als das Wort des Anreshir, dass sie ihn beschützen würde.
    Ihr Blick wurde von einem älteren Ehepaar in Akoshis Rücken angezogen. Die Augen der Frau waren rot, als hätte sie geweint. Sie machte Anstalten, ihre Hand nach dem jungen Hauer auszustrecken, doch ihr Mann zog sie rasch weiter. Akoshis Eltern?
    Der Anreshir nickte in Richtung Mineneingang. »Gehen wir!«
    Nicht nur Ishira war verblüfft, als Rondar erklärte, sie begleiten zu wollen. Der Oberaufseher sah ihn einen Augenblick lang überrumpelt an und nickte schließlich schulterzuckend. Sie fragte sich, ob ihr Begleiter sich einfach ein Bild von der Mine machen wollte, weil er noch nie ein Bergwerk von innen gesehen hatte, oder ob mehr dahintersteckte? Wollte er sich vielleicht mit eigenen Augen von ihrer Fähigkeit überzeugen?
    Oshues Bergwerk war nicht von außen in den Fels getrieben worden wie dasjenige, das Ishira von zu Hause kannte, sondern hatte sich aus einer natürlichen Höhle heraus entwickelt. Sie stellte fest, dass es hier keine Schienen gab. Offenbar reichte die Mine nicht weit genug in den Berg, als dass sich Loren gelohnt hätten. Unwillkürlich hielt sie Ausschau nach dem älteren Ehepaar, aber die Beiden waren von der Menge der Bergleute vor ihnen verschluckt worden.
    Akoshi hielt den Kopf gesenkt und schlurfte mit hängenden Schultern neben ihr her, als wäre dies sein letzter Tag auf Erden. Von Zeit zu Zeit warf er ihr und Kiresh Rondar nervöse Blicke zu. Ishira kam auf einmal der Verdacht, dass der

Weitere Kostenlose Bücher