INAGI - Kristalladern
schnell gewachsen, dass einige der Häuser zunächst außerhalb der Umfriedung gestanden hatten und die Palisaden erst später erweitert worden waren.
Als sie durch das Tor ritten, sprangen knurrend zwei große Hunde auf, die in der Nähe angekettet waren. Nervös sah Ishira zu den Furcht erregenden Tieren hinüber, deren dickes schwarzes Fell sich im Nacken aufgestellt hatte. Ihre Lefzen waren zurückgezogen und ließen die spitzen Eckzähne sehen. Es bedurfte keiner großen Fantasie um sich vorzustellen, was die Hunde mit einem geflohenen Inagiri machten, wenn sie ihn zu fassen bekamen. Kaum hatten die Tiere ihre Witterung aufgenommen, begannen sie wie verrückt zu bellen und an ihren Ketten zu zerren. Ishira hatte Mühe, sich auf Leshas Rücken zu halten, die den Kopf nach hinten warf und unruhig hin und her tänzelte. Die Torwächter und einige andere Kireshi, die in der Nähe standen, genossen das Schauspiel sichtlich, denn sie lachten schadenfroh und feuerten die schrecklichen Viecher auch noch an. Ishira biss die Zähne zusammen. Sie würde den Gohari nicht die Genugtuung verschaffen herunterzufallen!
Auf einmal war Rondar neben ihr. Er griff nach Leshas Zügeln und drängte die Stute in die nächste Gasse, fort von den lärmenden Hunden und Menschen. »Alles in Ordnung?« erkundigte er sich, als Lesha endlich stillstand. In seiner Miene war nicht die geringste Spur von Belustigung zu finden. Im Gegenteil wirkte er aufrichtig besorgt. Dafür war Ishira ihm beinahe noch dankbarer als für sein Eingreifen. Obwohl sie ihm versicherte, dass sie sich nur erschrocken hatte, verzichtete Rondar darauf, dem Kouran des Forts seinen Besuch abzustatten, und ritt mit ihr direkt zur nächsten Herberge. Auf dem Eingangsschild, das im Wind hin und her schaukelte, prangten zwei Tenishi.
» Seresh ! Seid Ihr es wirklich?« erschallte eine volltönende Stimme, kaum dass sie abgesessen waren. Aus einer Seitengasse tauchte ein Mann jüngeren Alters auf und steuerte zielstrebig auf sie zu. Obwohl er die übliche Gewandung der Kireshi trug, war seine Erscheinung auffallend zwanglos, beinahe ein wenig schlampig. Sein Hemd war locker gebunden und aus seinem dunklen Haarknoten hatten sich einzelne Strähnen gelöst und fielen ihm ins Gesicht.
Rondar erwiderte die Begrüßung mit einem Nicken. »Etan Bironn, wenn ich mich recht erinnere«, brummte er. »Ihr habt Euch kaum verändert.«
Der Mann namens Etan lachte verschmitzt. »Wie sollte ich auch? Ist es nicht erst gestern gewesen, dass Ihr mich in der Kampfkunst unterwiesen habt, Seresh?«
Ishira horchte auf. Rondar hatte Unterricht gegeben? Unauffällig musterte sie den jüngeren Kiresh. Seine glatte Haut verriet, dass er nicht älter sein konnte als Mitte oder Ende Zwanzig. Dennoch musste seine Ausbildung schon einige Jahre zurückliegen.
Etans Blick begegnete ihrem. »Wer ist das da bei Euch?« fragte er Rondar neugierig. »Sieht mir aus wie eine Inagiri… oder nein«, korrigierte er sich, »sie ist ein Halbblut, nicht wahr?«
Aus seinem Mund klang das Wort weniger wie eine Beleidigung als wie eine schlichte Feststellung. Dennoch verengten sich Rondars Augen leicht. »Ihr Name ist Ishira«, antwortete er. »Sie ist in der Lage, den Anstieg der Kristallenergie vorauszusagen, und schützt im Auftrag des Hemaks die Bergleute vor den Energiewellen.«
Etans Augen weiteten sich. »Kein Scherz? Erstaunlich! Dachte nicht, dass das möglich wäre.« Er wies zur Herberge. »Darf ich Euch auf eine Schale Mishuo einladen, Seresh? Unser Wiedersehen verlangt nach einem guten Schluck, meint Ihr nicht?«
Rondar schien nach einer plausiblen Ausrede zu suchen, die Einladung auszuschlagen, fand offenbar keine und ergab sich schließlich seinem Schicksal. Hinter Etan betraten sie den Gastraum. An einem der Tische hockte ein stämmiger Mann in der schlichten Kleidung eines Bauern, der gerade einen tiefen Zug aus seiner Schale nahm, an einem anderen vertrieben sich zwei Kireshi die Zeit bei einem Brettspiel. Aus der Küche duftete es würzig nach Fleisch und frischen Kräutern. Ishira lief das Wasser im Mund zusammen.
Rondars ehemaliger Schüler steuerte auf einen der hinteren Tische zu. Als die Bedienung erschien, bestellte Etan für seinen ehemaligen Lehrer und sich einen Krug Mishuo – ein alkoholisches Getränk, für das die Gohari eine Vorliebe zu haben schienen. Ishira überging er. Sein Interesse an ihrer Person war verflogen, sobald er den Blick abgewandt hatte, und wie die meisten
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