INAGI - Kristalladern
seiner Kehle auf. Der Hundeführer zog hart an der Leine. »Still, Toma!«
Yaren sah nicht einmal auf. Er war daran gewöhnt, dass die Hunde so auf ihn reagierten. Ihre Nase war feiner als die eines Menschen und zweifellos witterten sie das Drachenblut an ihm.
Als er sein Ziel erreicht hatte, stand kalter Schweiß auf seiner Stirn. Seine Sicht war verschwommen und er musste sich einen Moment an den Türrahmen lehnen, bis sich der Schwindel ein wenig gelegt hatte. Im Vorraum kam ihm ein weiß gekleideter, kahl geschorener Jüngling entgegen, der sich als Kashin vorstellte. Als Yaren sein Anliegen nannte, glotzte Kashin ihn nur mit kugelrunden Augen an. Er öffnete und schloss seinen Mund wie ein Fisch, der nach Luft schnappte. Sein Blick saugte sich an der Kette mit Drachenzähnen fest, die Yaren nicht einmal zum Schlafen abnahm. Unter anderen Umständen hätte Yaren ihn vielleicht mit einem spöttischen Kommentar aufgezogen, doch jetzt war er einfach nur gereizt. Barsch wies er den Jungen darauf hin, dass er nicht vorhabe, die ganze Nacht im Vorraum zu verbringen. Endlich riss Kashin sich vom Anblick der Trophäensammlung los, entschuldigte sich stotternd, bat Yaren zu warten und rannte beinahe durch die große Tür auf der linken Seite, um einen der Heiler zu holen.
Anstatt auf dem angebotenen Sitz Platz zu nehmen, trat Yaren an die Tür zum Krankensaal, die der Lehrling offen gelassen hatte, und warf einen Blick ins Innere. Etwa zwei Drittel der Betten waren belegt. Einige der Patienten wälzten sich unruhig hin und her und hier und da hörte er ein Stöhnen. Am gegenüberliegenden Ende des Raumes entdeckte er schließlich den Mann, mit dem er eine Begegnung hatte vermeiden wollen.
Mebilor stand mit dem Rücken zu ihm und gab Anweisungen an einen weiteren Gehilfen, der ernst nickte. Der Heiler war schlank und drahtig, wie Yaren ihn in Erinnerung hatte. Seine Haare, die er am Hinterkopf aufgesteckt und mit Stoff umwickelt hatte, waren, soweit Yaren sehen konnte, nicht mehr ganz so dicht wie noch vor einigen Jahren und inzwischen beinahe weiß. Dennoch hatte er sich selbst im Alter nicht den Schädel rasiert, wie es die meisten Heiler taten. Immer noch ein wenig eitel?
Kashin wartete ungeduldig, bis Mebilor ihm seine Aufmerksamkeit schenkte, und wies dann aufgeregt in Yarens Richtung. Der Heiler drehte sich um. Seine buschigen schwarzen Augenbrauen, die im Kontrast zu seinen weißen Haaren jetzt noch eindrucksvoller wirkten als früher, schossen in die Höhe. Er schloss seine Anweisungen ab und eilte auf Yaren zu. Aus der Nähe wirkte er müde und abgespannt. Um Mund und Augen hatten sich Falten eingegraben, die von diversen schlaflosen Nächten zeugten.
»Yaren bel Helerash! Ich hatte eigentlich gehofft, dich nicht noch einmal in einem Haus des Heilens sehen zu müssen!« rief er anstelle einer Begrüßung.
»Ich freue mich auch, Euch zu sehen, Mebilor«, erwiderte Yaren trocken. »Wie es scheint, komme ich nicht umhin, mich wieder in Eure fähigen Hände zu begeben.«
Der Heiler musterte ihn mit prüfendem Blick und kniff besorgt die Augen zusammen. »Du siehst mir aus, als könntest du dich gerade noch auf den Beinen halten, Junge.« Er wies auf eine Tür rechts von ihnen. »Hier entlang.«
»Ihr scheint viel zu tun zu haben«, bemerkte Yaren, während er ihm folgte.
Mebilor nickte. »Vor fünf Tagen wurden wir von den Amanori angegriffen. Vier Todesopfer. Und die vielen Verletzten hast du ja gesehen.«
Er führte Yaren in einen kleinen, beinahe quadratischen Raum, an dessen Wänden sich ringsum Schränke und Regale reihten, die bis auf den letzten Platz mit Flaschen, Gläsern und Behältern aller Art gefüllt waren. In der Mitte des Raumes stand eine Liege, die mit einem weißen Laken bedeckt war. Daneben befand sich ein kleiner Tisch, auf dem verschiedene, scharf aussehende Messer und andere Instrumente lagen.
»Zieh dein Hemd aus und setz dich!« wies der Heiler Yaren an. Er drehte sich um und steuerte zielsicher eines der Regale an. Yaren streifte ungeschickt sein Hemd ab. »Du stellst also noch immer den Amanori nach«, stellte Mebilor fest, während er eine der Flaschen aus dem Regal nahm. »Man erzählt sich so einiges über dich, weißt du.«
Yaren konnte sich schon denken, was über ihn geredet wurde. Er wusste, dass manche Kireshi Wetten abschlossen, wie viele Drachen er ins Jenseits befördern würde, bevor er selbst ihr Opfer wurde. Er war zwar bei weitem nicht der einzige Drachenjäger,
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