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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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einem anderen Fläschchen zählte der Heiler weitere Tropfen einer bläulichen Flüssigkeit ab. »Ich werde die Wunde aufschneiden und auswaschen müssen«, erklärte er Yaren. »Mach dich auf eine unangenehme Nacht gefasst. Die Medizin, die das Gift aus deinem Körper ziehen wird, wird dein Fieber kurzzeitig noch weiter in die Höhe treiben. – Trink das!« fügte er beinahe schroff hinzu und hielt Yaren das Glas hin. »Ich habe ein Schlafmittel zugefügt, damit du von der Prozedur so wenig wie möglich mitbekommst.«
    Ein unangenehmer Geruch stieg Yaren in die Nase. Er hielt die Luft an und leerte das Glas in einem Zug. Der bittere Geschmack war widerlich.

    * * *

    Ebosagi lag nicht in einem Seitental wie die beiden Orte, die Ishira bis jetzt kennengelernt hatte, sondern direkt an der Hauptstraße, die hier nahe am Gebirge entlang führte. Es war später Nachmittag. In den Strahlen der tief stehenden Sonne warfen die Palisaden lange Schatten auf den sanft ansteigenden Hang dahinter. Zwei Dächer der inagischen Siedlung waren geschwärzt, als hätten sie vor kurzem gebrannt. Hatten die Amanori Ebosagi angegriffen?
    Das Dorf war etwa doppelt so groß wie Soshime. Rondar, der vom Hemak einen Bericht mit allen für ihre Reise nötigen Informationen erhalten hatte, hatte Ishira erzählt, dass die Siedlung eine der größten auf Inagi war, zu der drei Minen gehörten. Sie würden also eine ganze Weile hierbleiben.
    Hoffentlich sind die Leute freundlicher als in Mosuke . Sie hatte keine besonders guten Erinnerungen an das zweite Ziel ihrer Reise. Der Hauer, den sie in Mosuke zum Streb begleitet hatte – ein älterer Mann namens Gozo – hatte ihr nicht glauben wollen, dass sie gekommen war, um ihn vor Shigen zu beschützen. Überzeugt davon, dass niemand in der Lage war, den Anstieg der Energie vorherzusagen, hatte er ihr allen Ernstes vorgeworfen, eine Spionin der Gohari zu sein, die ihre Herren über jeden Schritt, den die Bergleute taten, unterrichten sollte. So sehr Ishira sich auch bemüht hatte, Gozos Argwohn zu zerstreuen, es war ihr nicht gelungen. Irgendwann hatte sie es aufgegeben, ihn überzeugen zu wollen, und seine finstere Miene und sein eisiges Schweigen ignoriert, so gut es ging. Da während ihres Aufenthalts in Mosuke keine Energiewelle gekommen war, hatte sie Gozo den Beweis ihrer Gabe schuldig bleiben müssen. Womöglich hätte er ihr nicht einmal dann geglaubt, dass sie keine Spionin war.
    Auch seitens der übrigen Dorfbewohner waren ihr nur Misstrauen und Verachtung entgegengeschlagen. Mehr als einmal hatte sie das Wort ‚Geishiki‘ aufgeschnappt, geflüstert oder hinter ihrem Rücken abfällig ausgespien. Obwohl Ishira Ablehnung zur Genüge gewöhnt war, war es eine bittere Erfahrung gewesen. Und es zeigte einmal mehr, dass ihre Fähigkeit im Hinblick auf die erhoffte Akzeptanz seitens der Inagiri eher hinderlich als förderlich war. Tatsächlich war ausgerechnet Rondars Gesicht das einzig freundliche gewesen, das sie während ihres Aufenthalts in Mosuke gesehen hatte.
    Ishiras Lippen verzogen sich zu einem freudlosen Lächeln. Jetzt betrachtete sie also schon die Gesellschaft eines Gohari als Lichtblick? Andererseits gehörte sie als Mischling genauso zu den Gohari wie zu den Inagiri. Oder eher zu keinem von beiden. Doch im Herzen fühlte Ishira sich trotz allem als Inagiri. Als solche war sie aufgewachsen und diesem Volk gehörten die Menschen an, die sie liebte. Wahrscheinlich sollte sie nicht zu viel auf die Meinung von Leuten wie Ozami oder diesem Gozo geben. Es gab andere, Menschen wie Kanhiro und seinen Vater, die sie ohne Vorbehalt in ihren Kreis aufgenommen hatten.
    Sie seufzte wehmütig. Sie vermisste ihren Freund ebenso schmerzlich wie ihren Bruder – seine aufmunternden Scherze, seine beruhigende Gegenwart, selbst ihr abendliches Geplauder über Alltäglichkeiten. Mit Kiresh Rondar könnte es niemals auch nur annähernd so sein.
    Auf einer nahegelegenen Wiese weidete eine Herde Umasus. Einige der Tiere hoben neugierig ihre massigen dunklen Köpfe mit den schneckenförmig eingedrehten Hörnern und verfolgten Rondars und Ishiras Weg zum Fort. Es schien nach dem gleichen Muster angelegt zu sein wie in Oshue und Mosuke, nur dass es weitaus größer war. Ishira fiel auf, dass das Holz der Palisaden auf der linken Seite heller war als der Rest, als wären die Baumstämme dort frischer. Die Häuser dahinter sahen jedoch so aus, als existierten sie schon länger. Vielleicht war das Lager so

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