INAGI - Kristalladern
nachdenken konnte, redete Rondar weiter. »Du musst die Vergangenheit endlich hinter dir lassen, Yaren«, beschwor er seinen Freund. »Hass und Rache sind schlechte Weggefährten. Sie können einen Mann schneller zerstören, als ihm bewusst wird. Larika würde ganz sicher nicht wollen, dass du dein eigenes Leben hingibst, um ihren Tod zu rächen.«
»Bitte, Seresh«, fiel Kiresh Yaren ihm gequält ins Wort. »Ich habe meinen Weg gewählt. Lass uns nicht weiter darüber reden.«
Das Gespräch verstummte. Als Ishira um ihr Versteck herum linste, sah sie, dass die beiden Kireshi Seite an Seite ihre Schwertübungen absolvierten. Sie wartete noch eine Weile länger und beschloss dann, ihre Anwesenheit preiszugeben. Sie schlich zurück zu ihrer Kammer und schloss von außen vernehmlich die Tür. Am Rande des Gartens blieb sie stehen und verneigte sich. »Guten Morgen, Kiresh Rondar, Deiro, Kiresh Yaren, Deiro.«
»Guten Morgen, Ishira«, erwiderte Rondar herzlich. »Hast du gut geschlafen?«
»Ja, Deiro.« Von Kiresh Yaren erwartete sie keinen Gruß und erhielt auch keinen. Er warf ihr nur einen unwilligen Blick zu und wandte sich dann sofort wieder ab. »Habt Ihr eine Aufgabe für mich?« fragte sie aus purer Gewohnheit.
Rondar verneinte. »Wenn du möchtest, kannst du im Garten bleiben, bis Mebilor uns zum Frühstück ruft«, sagte er.
Unbehaglich drückte Ishira sich am Rande des Gartens herum und fuhr mit den Fingern durch die Blätter der Büsche. Sie kam sich auf einmal vor wie ein Störenfried. Weil sie nicht wusste, was sie mit sich anfangen sollte, beobachtete sie unauffällig die beiden Gohari. Die Bewegungen des jüngeren Kiresh wurden zunehmend fließender, bis sie eine beinahe raubtierhafte Anmut erreichten, die sogar Rondars Kampfkunst in den Schatten stellte. Dennoch befanden die beiden sich auffällig im Einklang miteinander, so als hätten sie zahllose Male gemeinsam trainiert. Ishira erinnerte sich daran, dass auch Kiresh Yaren Rondar ‚Seresh‘ genannt hatte. War er wie Etan ein Schüler des Bakouran gewesen?
Dieser bedachte die Waffe seines Übungspartners mit einem interessierten Blick. »Die Klinge deines Kesh hat eine ungewöhnliche Färbung«, bemerkte er.
»Das liegt an der Legierung«, erklärte Kiresh Yaren. »Die Klinge ist besonders gehärtet und dringt dadurch leichter zwischen die Schuppen der Drachen. Ich habe das Kesh vor zwei Jahren bei Pelen Tares in Auftrag gegeben.« Er reichte Rondar die Waffe, damit dieser sie aus der Nähe begutachten konnte. Die Spitze erweckte den Eindruck tödlicher Schärfe.
Der Bakouran schwang das Schwert probeweise durch die Luft. »Liegt gut in der Hand«, sagte er anerkennend. »Pelen war schon immer ein Meister der Schmiedekunst. Was hast du dafür bezahlt?«
»Sechstausend Brim .«
Ishira knickte schockiert den Zweig ab, mit dem sie herumgespielt hatte. Auch wenn sie mit dem Begriff ‚Tausend‘ nichts anfangen konnte, musste es ein Vielfaches von dem sein, was Kenjin und sie im ganzen Jahr als Lohn erhielten.
Ihr Begleiter reichte das Schwert zurück. »Ein stolzes Sümmchen. Aber sicher sein Geld wert.«
»Jeden einzelnen Brim.«
Auf der Treppe erschien Mebilors Diener. »Mein Herr bittet mich Euch mitzuteilen, dass das Frühstück angerichtet ist«, sagte er mit einer Verbeugung.
Rondar nickte. »Wir kommen.«
Kiresh Yaren verließ den Garten als erster. Als er an Ishira vorbeikam, kreuzten sich ungewollt ihre Blicke. Seine Augen unter den dunklen, nach außen geschwungenen Brauen changierten zwischen Grau und Grün. Doch nicht die ungewöhnliche Farbe zog Ishiras Aufmerksamkeit auf sich, sondern die Leere in ihnen. Als wäre vor langer Zeit etwas in seinem Innern erloschen.
* * *
»Sag, alter Freund, gibt es hier in der Gegend etwas, das die Besichtigung lohnt?« wollte Rondar beim Frühstück von Mebilor wissen.
Ihr Gastgeber dachte einen Moment nach. »Da fällt mir nur der Wasserfall ein. Ein hübsches Fleckchen und nicht allzu weit entfernt.«
Rondar war sofort angetan. »Was ist mit dir, Yaren? Kommst du mit? – Das heißt, falls du keine Einwände hast, Mebilor.«
Der Heiler wedelte mit der Hand. »Von meiner Seite aus spricht nichts dagegen. Unser junger Heißsporn macht ohnehin, was er will, und ich glaube, es würde euch beiden guttun, etwas Zeit miteinander zu verbringen. Ihr habt euch sicher einiges zu erzählen.«
Yaren war hin und her gerissen. Hier bot sich eine Gelegenheit, sich endlich mit seinem Seresh
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