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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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doch als sie auf leisen Sohlen darauf zugingen, begannen sich Hindernisse auf dem Boden aufzutürmen; mächtige Ketten lagen verstreut herum, Hand- und Fußfesseln, Werkzeuge und ein zerschmetterter Käfer , der auf seinem Rücken lag. Sie kamen an kleinen Zellen vorbei. Bei einigen waren die Türen verschlossen, und durch das Gitterfenster in einer von ihnen sah Finn einen winzigen, dunklen Raum mit Ratten, die über einen leeren Teller huschten. In einer Ecke lag ein Haufen Kleider, die vielleicht einst einen Körper umhüllt hatten. Alles schien still. Finn hatte das Gefühl, dass dieser Ort selbst von seinem Erschaffer vergessen worden war, eine Ecke Incarcerons, die das Gefängnis seit Jahrhunderten schon übersah. War es in einer Gegend wie dieser gewesen, in der das Volk der Maestra den Schlüssel gefunden hatte, vielleicht bei den Knochen desjenigen Mannes, der ihn angefertigt oder gestohlen hatte?
    Als Finn um einen großen Pfeiler herumging, merkte er, dass er die Maestra bereits zu vergessen begann. Alles schien ihm
schon zu lange her zu sein. Doch das Klirren der Brücke, der eine Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, und auch ihr Mitleid waren für immer in seinem Innern eingeschlossen und warteten darauf, dass er schlief oder sich irgendwo sicher glaubte.
    Attia packte ihn am Arm, und erst da fiel ihm auf, dass er an den anderen vorbeigelaufen war.
    Â»Du musst schon wach bleiben, Bruder«, zischte Keiro aufgebracht.
    Finns Herz pochte laut, und er versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Das Prickeln in seinem Gesicht ließ nach. Mehrere Male holte er tief Luft.
    Â»Alles in Ordnung?«, flüsterte Gildas.
    Er nickte. Beinahe hätte ihn ein Anfall überwältigt. Er fühlte sich elend und krank.
    Als er einen Blick um die Ecke warf, erstarrte er.
    Die Stimme redete in einer Sprache, die er noch nie gehört hatte und die sich aus Klicken, Kieksen und künstlichen Silben zusammensetzte. Sie war an die Käfer und die Kehrer und die Fliegen gerichtet und ebenso an die Metallratten, die immer aus den Mauern gewetzt kamen, um die Leichen abzutransportieren. Millionen von ihnen kauerten reglos auf dem Boden einer riesigen Halle, über die Seile und Hängebrücken gespannt waren. Sie alle blickten auf einen leuchtenden Stern, der wie ein Funke in der Dunkelheit glühte. Incarceron erteilte seinen Kreaturen Anweisungen, und die Worte, die das Gefängnis sprach, waren ein Sammelsurium von merkwürdigem Schnalzen, eine lange Litanei aus Knack- und Rumpellauten.
    Â»Können sie das etwa verstehen?«, flüsterte Keiro.
    Â»Es sind nicht nur Worte.« Tief im Herzen der Dunkelheit vibrierte etwas, und es klang wie das Klopfen eines riesigen Herzens oder das Ticken einer großen Uhr.
    Die Stimme brach ab. Sofort drehten sich die Maschinen um
und schwärmten davon. Sie bewegten sich in stillen Reihen hinaus in die Dunkelheit, bis auch die letzte verschwunden war, beinahe ohne dass etwas zu hören gewesen wäre.
    Finn rührte sich, doch Keiro hielt ihn fest.
    Das Auge beobachtete die Halle noch immer. Sein Licht erhellte die leere Fläche. Dann fragte die Stimme leise: »Hast du den Schlüssel bei dir, Finn? Soll ich ihn dir jetzt abnehmen?«
    Finn keuchte vor Schreck. Er wollte davonrennen, aber Keiros Hand an seinem Arm hielt ihn davon ab. Während er sich auf die Lippen biss, hörte er das leise, belustigte Kichern des Gefängnisses. »Claudia ist hier im Inneren. Wusstest du das? Natürlich habe ich vor, euch beide voneinander getrennt zu halten. Ich bin so weitläufig, dass das nur allzu leicht möglich sein wird. Willst du nicht mit mir sprechen, Finn?«
    Â»Das Gefängnis ist sich nicht sicher, ob wir wirklich hier sind«, murmelte Keiro.
    Â»Für mich klingt es sogar ziemlich sicher.«
    Finn verspürte den unerklärlichen Drang, aus dem Schutzschild des Schlüssels hervorzutreten, seine Arme auszustrecken und sich einfach in Bewegung zu setzen. Aber Keiro würde ihn nicht gehen lassen. Stattdessen wandte sein Eidbruder sich an Attia: »Zurück. Schnell.«
    Â»Natürlich bin ich nur eine Maschine«, fuhr Incarceron mit scharfer Stimme fort. »Anders als ihr. Aber unterscheidet ihr euch wirklich so sehr von mir? Seid ihr tatsächlich so rein und unschuldig? Vielleicht sollte ich ein kleines Experiment machen.«
    Keiro geriet in Panik und gab Finn einen Stoß.

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