Incarceron
und bei uns ebenfalls.« Damit lieà er Finns Arm los und
trat einen Schritt zurück. »In Ordnung: Wir versuchen, hier rauszukommen. Aber hast du vergessen, dass sie dich verflucht hat? Ein Todesfluch, Finn. Können wir dem etwas entgegensetzen?«
»Lasst das mal meine Sorge sein«, unterbrach ihn Gildas.
»Ach, ja, natürlich. Zauberwerk.« Keiro stand ins Gesicht geschrieben, was er davon hielt. »Und woher wissen wir, dass der Schlüssel diese Tür auch wirklich öffnen wird? Türen öffnen sich nur, wenn Incarceron es will.«
Finn kratzte sich am Kinn. Dann stellte er sich aufrecht hin und straffte die Schultern. »Ich muss es ausprobieren.«
Keiro seufzte, drehte den Kopf weg und starrte hinab in die Feuer der Comitatus. Gildas suchte Finns Blick und nickte. Er schien von stillem Triumph erfüllt.
Keiro wandte sich ihnen wieder zu. »In Ordnung. Aber wir werden kein groÃes Aufheben darum machen. Wenn wir versagen, wird niemand davon erfahren.«
»Du brauchst nicht mitzukommen«, knurrte Gildas.
»Wenn er geht, werde ich auch gehen.«
Mit dem Fuà stieà er etwas Vogeldreck vom Vorsprung; Finn sah ihm hinterher und glaubte zu sehen, wie ein Schatten davonhuschte. Sofort griff er nach der Kette. »Da war jemand.«
Keiro starrte in die Dunkelheit hinab. »Bist du dir sicher?«
»Ich glaube schon.«
Der Sapient erhob sich. Er sah bedrückt aus. »Wenn das ein Spion war und er von dem Schlüssel erfahren hat, dann stecken wir in Schwierigkeiten. Holt die Waffen und nehmt Nahrung mit. Wir treffen uns in zehn Minuten am Fuà des Schachtes.« Er betrachtete den Schlüssel und den Regenbogenschimmer, der von ihm ausging. »Ich werde so lange darauf aufpassen.«
»Nein, das wirst du nicht.« Entschlossen nahm Finn ihm den Schlüssel aus der Hand. »Er bleibt bei mir.«
Als er sich umdrehte, spürte er plötzlich, dass der schwere Gegenstand
in seinen Händen warm wurde, und er besah sich ihn genauer. Unter der Klaue des Adlers tat sich ein heller Kreis auf. Darin glaubte er, nur für einen kurzen Moment, den Schatten eines Gesichtes zu sehen, das ihn anstarrte.
Es war das Gesicht eines Mädchens.
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»Ich muss gestehen, dass ich das Reiten hasse.« Lord Evian schlenderte zwischen den Blumenbeeten herum und betrachtete aufmerksam die Dahlien. »Es kommt mir so unnötig weit vom Erdboden weg vor.« Er fiel schwer neben Claudia auf eine Bank und lieà den Blick träge über die sonnenbeschienene Landschaft gleiten. In der Hitze flirrte die Luft, sodass der spitze Kirchturm zu verschwimmen schien. »Und dann wollte Euer Vater auch noch so abrupt nach Hause umkehren! Ich hoffe, dass es keinen plötzlichen Krankheitsfall gegeben hat.«
»Ich nehme an, ihm ist plötzlich irgendetwas eingefallen«, sagte Claudia ausweichend.
Das Licht der Nachmittagssonne brachte die honigfarbenen Steine des Herrenhauses voll zur Geltung, und es blitzte auf dem Wasser des Grabens auf, der wie dunkles Gold schimmerte. Enten stürzten sich auf die schwimmenden Brotkrumen; Claudia zerbröselte weitere Stücke und warf sie den Tieren zu.
Evian beugte sich übers Wasser, sodass Claudia das glatte Gesicht des Lords als Spiegelbild betrachten konnte. Der Mund, den sie auf der Wasseroberfläche zu sehen bekam, sagte: »Sicher fiebert Ihr der bevorstehenden Hochzeit entgegen und seid zweifellos auch ein wenig nervös.«
Claudia warf einem Sumpfhuhn ein Stück Brot zu. »Manchmal.«
»Ich kann Euch versichern, dass Ihr mühelos mit dem Earl von Steen zurechtkommen werdet. Seine Mutter ist vernarrt in ihn.«
Das bezweifelte Claudia keinen Augenblick lang. Plötzlich fühlte sie sich erschöpft, als ob die Anstrengung, ihre Rolle zu spielen, mit einem Mal zu viel für sie wäre. Sie stand auf, und ihr Schatten fiel aufs Wasser. »Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet, Mylord; es gibt noch so viel, um das ich mich kümmern muss.«
Evian hob den Blick nicht, streckte den plumpen Enten jedoch seine Finger entgegen und sagte: »Setzt Euch, Claudia Arlexa.«
Diese Stimme . Claudia starrte verblüfft seinen Hinterkopf an. Der nasale Quengelton war verschwunden. Stattdessen hatte Evian stark und befehlsgewohnt geklungen. Er wandte ihr den Blick zu.
Schweigend setzte sie sich.
»Ich bin mir sicher, dass das jetzt ein Schock für Euch ist. Ich
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