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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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habe Vergnügen an meiner Tarnung, aber sie kann auch sehr ermüdend sein.« Das ölige Lächeln war ebenfalls verschwunden, was ihn vollkommen verändert aussehen ließ. Seine Augen mit den schweren Lidern wirkten müder als zuvor. Und älter.
    Â»Tarnung?«, fragte Claudia.
    Â»Eine vorgetäuschte Identität. Wir alle spielen unsere Rollen in dieser Tyrannei der Zeit, nicht wahr? Claudia, könnten wir eventuell belauscht werden?«
    Â»Es ist hier sicherer als im Haus.«
    Â»Gut.« Er drehte sich auf der Bank zu ihr; sein heller Seidenanzug raschelte, und Claudia stieg ein Hauch des teuren Parfüms in die Nase, mit dem der Lord sich eingesprüht hatte. »Hört mich an. Ich muss mit Euch sprechen, und das könnte unsere einzige Chance sein. Habt Ihr je von den Stahlwölfen gehört?«
    Gefahr . Hier lauerte Gefahr, und Claudia musste sehr vorsichtig sein. Sie antwortete: »Jared ist ein gründlicher Lehrer. Der Stahlwolf war das Wappentier von Lord Calliston, der wegen
Hochverrats gegen das Reich verurteilt wurde. Er war der erste Gefangene, der nach Incarceron geschickt wurde. Aber das liegt schon Jahrhunderte zurück.«
    Â»Hundertsechzig Jahre«, murmelte Evian. »Und das ist alles, was Ihr wisst?«
    Â»Ja.« Und das stimmte.
    Sein Blick wanderte über die Wiesen. »Dann lasst Euch gesagt sein, dass Stahlwolf auch die Bezeichnung für eine Geheimorganisation von Höflingen und von den … sagen wir mal so … von den Unzufriedenen ist, die sich danach sehnen, dass das ewige Vorspielen einer idealisierten Vergangenheit ein Ende hat. Sie wollen eine Befreiung vom Joch der Havaarnas. Sie … wir … wollen, dass das Reich von einer Königin regiert wird, der etwas an ihrem Volk liegt und die uns so leben lässt, wie es uns gefällt. Einer Königin, die Incarceron öffnet.«
    Plötzlich schlug Claudia vor Angst das Herz bis zum Hals.
    Â»Versteht Ihr, was ich sage, Claudia?«
    Sie hatte keine Ahnung, wie sie reagieren sollte. Während sie noch auf ihrer Unterlippe herumbiss, sah sie, dass Medlicote aus dem Pförtnerhaus kam und sich suchend nach ihnen umsah. »Ich denke schon. Seid Ihr denn Mitglied dieser Gruppe?«
    Auch er hatte seinen Sekretär entdeckt. Deshalb antwortete er hastig. »Das wäre möglich. Ich gehe ein großes Risiko ein, indem ich mit Euch spreche. Aber ich denke, Ihr seid gar nicht so sehr die Tochter Eures Vaters.«
    Die dunkle Gestalt des Sekretärs überquerte die Zugbrücke und eilte auf sie zu. Evian winkte ohne große Begeisterung. Dann sagte er: »Denkt darüber nach. Es gibt nicht viele, die den Earl von Steen betrauern würden.« Er stand auf. »Sucht Ihr nach mir, Sir?«
    Lucas Medlicote war ein großer, schweigsamer Mann. Er verbeugte sich vor Claudia und sagte: »In der Tat, Mylord. Der
Hüter lässt Grüße ausrichten und bat mich, Euch darüber zu informieren, dass diese Nachricht vom Hofe eingetroffen ist.« Er streckte ihm eine Ledertasche entgegen.
    Evian lächelte und nahm sie mit gezierter Geste entgegen. »Dann muss ich wohl aufbrechen und lesen. Entschuldigt, meine Teuerste.«
    Claudia machte einen unbeholfenen Knicks und sah dem kleinen Mann hinterher, der neben dem ernsten Bediensteten davonging und leichthin über die Aussichten der kommenden Ernte plauderte, während er die Briefe aus der Tasche nahm. Claudia zerkrümelte in stillem Unglauben Brot zwischen ihren Fingern.
    Es gibt nicht viele, die den Earl von Steen betrauern würden.
    Hatte er von einem Mordkomplott gesprochen? Hatte er es ernst gemeint, oder war das Ganze ein Plan der Königin, die ihr eine Falle stellen und ihre Loyalität auf die Probe stellen wollte? Ganz gleich, ob Claudia die Unterhaltung melden oder für sich behalten würde  – beides könnte sich als Fehler erweisen.
    Nachdenklich warf sie die Brotstücke ins dunkle Wasser und sah dabei zu, wie die großen Wildenten mit ihren grün glänzenden Schnäbeln die kleineren Vögel wegdrängten und nach ihnen hackten. Claudias Leben war ein einziges Labyrinth aus Intrigen und Verstellungen, und die einzige Person, der sie vertrauen konnte, war Jared.
    Ihre Finger waren trotz der Sonne kalt geworden, und sie rieb sie, um sie aufzuwärmen. Es war möglich, dass Jared bald sterben würde.
    Â 
    Â»Claudia.« Evian war

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