Incarceron
fliehen. Ich will das AuÃerhalb finden, wenn es denn existiert. Und in der Sklavenhalle erzählt man sich, dass du in deinen Träumen die Sterne siehst und dass Sapphique mit dir spricht. Dass das Gefängnis dir den Weg nach drauÃen zeigen wird, weil du der Sohn Incarcerons bist.«
Er starrte sie betroffen an. Gildas schüttelte den Kopf und schaute zu Finn, der seinen Blick erwiderte.
»Deine Entscheidung«, murmelte der alte Mann.
Finn hatte keine Ahnung, was er tun sollte, deshalb räusperte er sich und sagte, an das Mädchen gewandt: »Wie heiÃt du?«
»Attia.«
»Nun, Attia, sieh mal. Ich will keine Dienerin. Aber ⦠du kannst mit uns mitkommen.«
»Sie hat nichts zu essen dabei. Das bedeutet, dass wir mit ihr teilen müssen«, sagte Keiro.
»Du hast ebenfalls nichts mitgenommen«, erinnerte ihn Finn
und klopfte auf Keiros Kleiderbündel. »Und auch meine Vorräte sind jetzt aufgebraucht.«
»Dann wird sie von dem essen müssen, was du erlegst, nicht von meiner Beute.«
Gildas lehnte sich gegen einen der Metallbäume. »Wir sollten jetzt schlafen«, sagte er. »Alles Weitere können wir nach Lichtan besprechen. Aber irgendjemand muss Wache halten, also kannst du die erste Schicht übernehmen, Mädchen.«
Sie nickte, und als sich Finn mit ungutem Gefühl hinlegte, sah er, wie sie in den Schatten huschte und verschwunden war.
Keiro gähnte wie eine Katze. »Vermutlich schlitzt sie uns heute Nacht noch die Kehle auf«, murmelte er.
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Claudia wiederholte: »Ich sagte: Gute Nacht, Alys«, und sah im Spiegel ihres Toilettentisches, wie ihr Kindermädchen sich schimpfend über die Kleidungsstücke aus Seide beugte, die auf dem Boden verstreut herumlagen.
»Sieh nur, Claudia, dies hier ist vom Schlamm völlig ruiniert â¦Â«
»Steck sie doch einfach in die Waschmaschine. Ich weiÃ, dass du irgendwo eine stehen hast.«
Alys warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Sie beide wussten: Das endlose, archaische Schrubben und Schlagen und Stärken von Kleidung war so ermüdend, dass sich die Angestellten schon vor langer Zeit heimlich dem Protokoll widersetzt hatten. Vermutlich war das auch bei Hofe nicht anders, dachte Claudia.
Kaum war die Tür zugefallen, sprang sie auf, lief hin und verschloss sie. Sie drehte den schmiedeeisernen Schlüssel herum und schaltete alle Störsysteme an. Dann lehnte sie sich gegen das Holz und dachte nach.
Jared war nicht zum Abendessen erschienen. Das hatte nichts zu bedeuten. Vielleicht hatte er nur den Anschein aufrechterhalten
wollen, sich nicht wohlzufühlen. AuÃerdem war ihm die Dummheit des Earls verhasst. Einen Moment lang fragte Claudia sich, ob Jared in dem Labyrinth tatsächlich schlecht geworden war und ob sie deshalb Kontakt zu ihm aufnehmen sollte; aber er hatte ihr immer wieder eingeschärft, den MiniCom nur im Notfall zu benutzen, vor allem dann, wenn der Hüter im Haus war.
Sie band den Gürtel ihres Morgenmantels fest und sprang aufs Bett, dann hob sie die Hand und nestelte am Stoffdach ihres Himmelbettes herum.
Doch da war nichts.
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Im Haus war es jetzt vollkommen still. Caspar hatte während des Abendessens fortwährend geplappert und getrunken; es hatte vierzehn verschiedene Gänge gegeben, mit Fisch und Finken, Kapaun und Schwan, Aal und kandierten Früchten. Er hatte laut und mit verdrossener Stimme von Turnieren berichtet, seinem neuen Pferd, einer Burg, die er an der Küste bauen lieÃ, und den Summen, die er beim Spielen verloren hatte. Seine neueste Leidenschaft schien die Eberjagd zu sein. Das bedeutete vermutlich, dass er sich im Hintergrund hielt, bis seine Diener einen verwundeten Eber auf ihn zutrieben, den er dann mühelos töten konnte. Er hatte seinen Speer beschrieben, all die Tiere, die er erlegt hatte, und die ausgestopften Köpfe, die in den langen Fluren bei Hofe aufgehängt waren. Und während der ganzen Zeit hatte er getrunken und wieder und wieder nachgeschenkt, und seine Stimme war immer polternder und undeutlicher geworden.
Claudia hatte ihm mit einem unbewegten Lächeln zugehört und ihn mit unerwarteten, gehässigen Fragen aufgezogen, die er kaum verstand.
Und die ganze Zeit über hatte ihr Vater ihr gegenübergesessen und mit dem Stiel seines Weinglases herumgespielt. Unablässig
hatte er es auf der weiÃen Tischdecke zwischen seinen dünnen
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