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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte.
    Eibenzweige wurden zurückgebogen und schnellten wieder in ihre ursprüngliche Position.
    Rasch erhob sie sich, strich mit den Händen ihr Kleid glatt und hoffte, dass ihr Gesicht nicht so bleich war, wie es ihrem Gefühl nach sein musste. Die Hecke zu ihrer Linken geriet in Bewegung, ein Schwert brach hindurch, wurde zurückgezogen und begann damit, eine Öffnung freizulegen. Dann schob sich der große, schweigsame Leibwächter ihres Verlobten, Fax, durch die Hecke, verschaffte sich eilig einen Überblick und hielt schließlich die Äste zur Seite. Nun erschien ein dünner Jugendlicher, dessen Mund vor Unzufriedenheit verzogen war. Der junge Mann warf Claudia einen finsteren Blick zu und fuhr sie an: »Seht Euch meine Kleidung an, Claudia. Sie ist ruiniert. Vollkommen ruiniert.«

    Kühl gab er ihr einen Kuss auf eine Wange. »Jeder würde meinen, Ihr ginget mir aus dem Weg.«
    Â»Dann seid Ihr also hinausgeworfen worden«, stellte sie mit ruhiger Stimme fest.
    Â»Ich bin freiwillig gegangen.« Er zuckte mit den Schultern. »Es war einfach zu langweilig. Meine Mutter schickt Euch dies hier.«
    Es war eine Nachricht auf dickem, weißem Papier, das zusammengefaltet und mit der weißen Rose der Königin versiegelt worden war. Claudia öffnete sie und las.
    Meine Teuerste,
    Ihr werdet bereits die gute Nachricht vernommen haben, dass Eure Vermählung unmittelbar bevorsteht. Nach all den Jahren des Wartens ist Eure Freude darüber sicherlich ebenso groß wie die meine! Caspar bestand darauf, zu Euch zu reisen, um Euch hierher zu eskortieren  – ein richtiger Romantiker. Was für ein schönes Paar ihr abgeben werdet! Von nun an, meine Beste, müsst Ihr mich als Eure liebende Mutter betrachten.
    -Sia Regina
    Claudia faltete den Brief zusammen. »Und habt Ihr tatsächlich darauf bestanden zu kommen?«
    Â»Nein, sie hat mich geschickt.« Er trat gegen das Astrolabium. »Wie lästig es ist, verheiratet zu werden, Claudia. Findet Ihr nicht?«
    Sie nickte schweigend.

12
    Nach und nach setzte der Verfall ein, doch wir brauchten
lange, um ihn zu bemerken. Eines Tages sprach ich mit dem
Gefängnis, und als ich den Raum verließ, hörte ich es lachen.
Ein leises, spöttisches Kichern.
Bei diesem Klang wurde mir eiskalt. Ich stand auf dem Flur,
und mir kam der Gedanke an ein uraltes Gemälde, das ich einst in
einem Manuskriptfragment entdeckt hatte. Darauf zu sehen war
ein riesiger Höllenschlund, der die Sünder verschlang.
In diesem Augenblick begriff ich, dass ich einen Dämon erschaffen
hatte, der uns alle zerstören würde.
    LORD CALLISTONS TAGEBUCH
    Â 
    Â 
    D as Geräusch des Aufschließens war quälend, als ob das Gefängnis seufzen würde. Es klang, als ob die Tür seit Jahrhunderten nicht mehr geöffnet worden wäre. Aber kein Alarm schrillte. Vielleicht wusste Incarceron, dass keine Tür sie jemals nach draußen führen würde.
    Gildas machte auf Finns Warnung hin einen Schritt zurück; kleine Steine und ein roter Rostregen prasselten herab. Die Tür gab zaudernd ein Stück nach, blockierte aber dann.
    Einen Moment lang warteten sie ab, denn der schmale Schlitz war dunkel, und ein kühler, seltsam süßlicher Geruch lag in der Luft. Finn trat mit dem Fuß das Geröll beiseite, drehte sich mit
der Schulter zum Durchgang und warf sich gegen das Holz, sodass sich die Tür aufschob, bis sie erneut verkeilte. Doch nun war die Öffnung breit genug, um sich hindurchzuzwängen.
    Gildas stieß ihn an und sagte: »Schau genau hin und sei vorsichtig!«
    Finn sah zurück zu Keiro, der erschöpft und zusammengesunken dasaß. Dann zog er sein Schwert und schob sich seitlich durch den Spalt.
    Es war kälter auf der anderen Seite; sein Atem wurde weiß. Der Boden war uneben und abschüssig. Finn machte einige Schritte und spürte plötzlich seltsamen, blechernen Abfall an seinen Knöcheln. Als er mit der Hand hinablangte, ertastete er eine Schicht festen Materials, kalt, fest und scharf an seinen Fingerspitzen. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die tiefere Dunkelheit, und er meinte in einer abfallenden Säulenhalle zu stehen. Große, schwarze Pfeiler ragten auf und wurden in der Höhe zu einem verschlungenen Gewirr. Finn watete zur Säule, die ihm am nächsten war, und befühlte sie mit den

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