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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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erzählten, würde es ihr gewiss leichter fallen, sie zu akzeptieren.
    »Laura hat recht«, sagte er. »Besuch uns zum Abendessen. Dann können wir über alles reden.«
    Gordon willigte ein, und sie beendeten das Gespräch. Laura startete noch ein paar Versuche, John schon jetzt ein paar Antworten zu entlocken – als Anwältin war sie von Natur aus neugierig. Aber er blieb hartnäckig und vertröstete sie auf den Abend, weil er nicht wollte, dass sie ihn für komplett übergeschnappt hielt.
    Schließlich sah Laura ein, dass sie keine Chance hatte, und wechselte das Thema. »Wohin fahren wir?«, wollte sie wissen.
    »Ich dachte, bei diesem schönen Wetter bietet sich eine Spritztour an die Küste an.«
    »So weit? Das sind fast hundert Kilometer! Können wir nicht lieber durch den Hyde Park spazieren?«
    »Komm schon! Ich will das Meer sehen, das Salz des Wassers in der Luft einatmen, mir eine frische Brise durchs Haar wehen lassen. Du weißt, wie sehr ich die Küste liebe.«
    Laura seufzte, aber John war sicher, dass der Ausflug ihr gefallen würde, wenn sie das Ziel erst erreicht hatten. Genau das stellte sich jedoch als überraschend schwierig heraus. Sie saßen kaum zehn Minuten im Auto und befanden sich noch mitten im Stadtgebiet, als ein Straßenschild ankündigte, dass die Durchfahrt der Commercial Road gesperrt war. John bog nach links ab, um auf die nächstgrößere Parallelstraße zu gelangen, doch die entpuppte sich als Blechlawine. Er unterdrückte ein Stöhnen. Hier war kein Durchkommen.
    John fuhr weiter nach Norden und bog endlich in die Mile End Road ein, aber bereits nach wenigen hundert Metern hielt ihn ein Trooper an, ein Mitglied der königlichen Leibwache. Mit seiner schwarz-roten Uniform, der hohen Bärenfellmütze und dem geschulterten Gewehr wirkte er sehr Respekt einflößend.
    John ließ die Scheibe herab.
    »Tut mir leid, Sir, aber diese Straße ist für die nächsten zwei Stunden gesperrt«, sagte der Trooper in schneidigem Ton. »Das komplette Viertel ist für Autos unpassierbar, weil die Queen zur Einweihung eines Denkmals erwartet wird.«
    John zog genervt die Augenbrauen hoch. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich den Anweisungen des Soldaten zu beugen und kehrtzumachen. Er wendete den Wagen und fuhr jetzt nach Süden, um sein Glück auf der anderen Seite des Flusses zu versuchen. Doch die Tower Bridge wurde von einem umgekippten Lastwagen versperrt, und auf der London Bridge gab es einen wahren Volksauflauf. Menschen jeglicher Hautfarbe hatten sich in schrille Kostüme gehüllt und hielten zu lautstarken Karibik-Rhythmen eine Parade ab.
    »Wie es aussieht, hat sich heute die ganze Welt gegen mich verschworen«, knurrte John resigniert. Die Lust auf einen Abstecher ans Meer war ihm inzwischen gründlich vergangen. »Wie wäre es mit einem Spaziergang im Hyde Park?«
    Laura lächelte. »Gute Idee«, sagte sie. »Könnte glatt von mir sein.«
    Die Fahrt durch die Stadt in Richtung Westen verlief reibungslos. Trotz regen Verkehrs kamen sie gut voran, sodass Johns Laune sich allmählich wieder besserte.
    Allerdings wurde er das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Zunächst war es nur eine unbestimmte Ahnung, dann erkannte er jedoch im Rückspiegel, dass ihnen ein ganz bestimmter Wagen folgte. Ein dunkelblaues Ford-Cabriolet. John gab Gas und überholte auf der zweispurigen Straße, um Abstand zu gewinnen. Er glaubte schon, den Verfolger abgehängt zu haben, aber als er den Trafalgar Square erreichte, hatte das Cabrio wieder aufgeschlossen. Jetzt befand es sich unmittelbar hinter Johns Daimler.
    John warf einen genaueren Blick in den Rückspiegel und erstarrte. Der Mann am Steuer glich auf beeindruckende Weise Jorge La Roqua. Dasselbe derbe Gesicht, dieselbe markante Physiognomie. Nur die Frisur war anders. La Roqua hatte langes, verwildertes Haar gehabt, der Verfolger im Cabrio hatte einen akkuraten Bürstenschnitt. Dennoch war die Ähnlichkeit so frappierend, dass es sich unmöglich um einen Zufall handeln konnte.
    »Worauf wartest du?«, fragte Laura und riss John damit aus seinen Gedanken. »Es ist frei.«
    »Oh, entschuldige.« Er fuhr los, bog nach ein paar hundert Metern in den Haymarket ab und schwenkte am Piccadilly Circus in Richtung Hyde Park. Als er wieder in den Rückspiegel sah, war das Cabrio verschwunden. John wusste nicht, ob er darüber froh oder eher beunruhigt sein sollte.
    »Was ist los mit dir?«, fragte Laura. »Du wirkst so nervös.«
    Er überlegte, ob er

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