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Indien zu Fuß: Eine Reise auf dem 78. Längengrad (German Edition)

Indien zu Fuß: Eine Reise auf dem 78. Längengrad (German Edition)

Titel: Indien zu Fuß: Eine Reise auf dem 78. Längengrad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Schulz
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»Mein zuverlässigster Arbeitgeber«, sagt Esa. Es ist Haji Mastan, der legendäre Mumbaimafiosi der 1970er, der erst nach Bollywood und dann in die Politik ging.
    Ein Moped hält vor der Tür, zwei schwarze Männer steigen ab und servieren uns klebrigen Schlagsahnekuchen mit Cocktailkirschen auf rosa Servietten. Wir essen mit Plastiklöffeln und spucken die Kirschkerne auf die Straße. Dann winkt Haled mich nach draußen. »Wenn Sie schon hier sind, sollen Sie auch unsere Kultur kennenlernen.«
    Ein dicker, grauhaariger Mann steht im Schatten einer Tamarinde. Er ist barfuß in Polyester-Bundfaltenhose und
halb offenem kariertem Hemd, unter dem eine Goldkette auf der Brust glänzt. Haled legt sich eine gelb-schwarze Basstrommel über die Schulter. Ein Junge mit einer Cowboyjeans haut zwei Trommelstöcke gegeneinander. »Das ist Daf«, sagt Haled. »Unsere Musik.« Der Beat ist treibend, das Lied fast ohne Melodie. Der Grauhaarige singt Wele-Ya-Wele-Bam und Siddi-Laya-Bum. Er geht in die Knie und tanzt auf mich zu. Wir wackeln synchron mit Hintern und Bäuchen, reißen die Arme hoch, schwingen die Hüften. Haled stimmt in den Gesang ein. Eine kleine Menschenmenge kommt zusammen. Zwei hellhäutige Männer in langen Hemden wippen dezent mit den Füßen. Ein schmaler, ostafrikanisch aussehender Jüngling in Polohemd tänzelt in die Mitte. Er legt einen Breakdance hin, dreht sich auf den Schulterblättern, macht einen Kopfstand, rotiert um die eigene Achse. Nach drei Stücken bricht der dicke Sänger abrupt ab. »Zeit für das Mittagsgebet.«
    Ich frage Haled, was sie gesungen haben. »Keine Ahnung. Kommt von unseren Eltern. Irgendwas Afrikanisches.«
    »Und jetzt mischt ihr Breakdance in den Daf?« Ich nicke dem Jungen mit dem Polohemd hinterher, der gegenüber in einem Schlachterladen verschwindet.
    »Ja«, sagt Haled und lacht. »Aber der Typ ist nicht von hier. Das ist ein Somalier. Er studiert hier.« Hyderabad sei besonders bei ostafrikanischen Studenten beliebt, sagt Haled. »Warum, das weiß ich nicht.«
     
    Am nächsten Tag bin ich bei Khuddus’ Familie zum Mittagessen eingeladen. Ich bewundere die Pokale im Wandschrank und unterhalte mich mit seinem Jüngsten, Bilal. Der Knabe hat ernste schwarze Augen und ein langes, bleiches Gesicht und ist viel zu schmächtig für sein Alter. Er fragt mich, welche Musik ich gern höre, und erzählt, dass er Stürmer ist.
Im vergangenen Jahr hat seine Mannschaft bei den Schulmeisterschaften den Pokal geholt. Ich frage, welche Fächer er in der Schule am liebsten mag, aber er antwortet nur ausweichend. Wir lachen zusammen mit seinem großen Bruder über Mr. Bean, der im Fernsehen mit einem ausgestopften Hund einen Dressurtierwettbewerb gewinnt. Während wir in einer Sitzgarnitur im arabischen Stil sitzen, hantieren Khuddus’ Tochter und Frau in der Küche mit Geschirr und Töpfen. Das ganze Gebäude besteht aus einem riesigen Wohn-und Essbereich, von dem alle Zimmer direkt zu erreichen sind. Eine Treppe führt in das obere Stockwerk. »Das Haus ist nach amerikanischem Vorbild errichtet«, sagt Khuddus. »Ich habe es mitentworfen.«
    Wir essen gemeinsam zu Mittag, Hammelfrikadellen, Eier und Huhn, zunächst nur die Männer. Khuddus’ Frau und Tochter setzten sich erst dazu, als wir uns das zweite Mal bedienen. Er sei unzufrieden damit, wie die Muslime in Hyderabad heute behandelt werden, sagt Khuddus, während wir uns vor dem Haus mit Blick auf eine handgemalte Werbung für Ameisen- und Kakerlakenvernichter verabschieden. »In Amerika hatten wir einen separaten Gebetsraum in der Firma. Hier beten wir auf der Terrasse.«
    Am Nachmittag fährt mich Khuddus zu einer Madrasa, einer islamischen religiösen Hochschule. Sie liegt im armseligen Viertel Kishan Bagh im Süden der Stadt. Das dreistöckige Gebäude ist von Balustraden umgeben. Unter einem Baum raucht ein offenes Feuer. Vor zwei Matador-Schulbussen mit arabischen Aufschriften versucht ein Junge einen selbst gebastelten Drachen steigen zu lassen.
    Der Leiter der Madrasa heißt Ahmed, ein rundlicher Mann mit kurz geschorenem, Henna gefärbtem Vollbart und listigen braunen Augen. Er führt mich durch das Gelände. Die Szene
in den Gängen und Treppenhäusern beschwört die gängigen Bilder vom radikalen Islam herauf. Hohlwangige Jünglinge haben ihren ersten Flaum zu einem dürren Ziegenbart stilisiert. Zehnjährige mit Gebetskappe und langen Hemden verknoten sich, die Arme und Köpfe auf den Schultern von Mitschülern,

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