Indigo - Das Erwachen
Museumsgebäude verschwand. Da die Sonne gerade unterging, hatte das Licht gegen Mia gespielt und die Nachtsichtfunktion ihrer Hightech-Ãberwachungsausrüstung beeinträchtigt. Sie hatte gehofft, sich Sicherheit verschaffen zu können, dass es sich bei dem Jungen, der Rayne begleitete, wirklich um Lucas handelte. Doch durch ihr Fernglas konnte sie bei diesen Bedingungen kaum etwas erkennen.
Was für einen Grund konnte Rayne haben, Lucas hierherzubringen?
Mia stieg aus dem Lexus und bugsierte sich in eine bessere Position, um den Jungen heranzuzoomen und ein Video von ihm zu machen, aber er hatte seine Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass er nicht zu erkennen war. Nachdem sie die Aufnahme beendet hatte, konzentrierte sich Mia auf ihre Schwester und folgte ihr in sicherem Abstand. Im Augenblick hatte sie keine weiteren Ziele, als Lucas zu identifizieren. Wenn er es war, würde sie sich den beiden zu erkennen geben.
Mia kannte das Museum zwar, doch in diesem Nebengebäude war sie noch nie gewesen. Rayne hatte einen Bogen um die groÃen Ausstellungsräume, den Hörsaal und das Café gemacht. Stattdessen hatte sie den entgegengesetzten Weg zur Bibliothek eingeschlagen. Mia folgte ihr in die gedämpfte Atmosphäre des Gebäudes, blieb neben dem Informationstresen stehen und suchte die Gesichter der Leute im Inneren ab. Ihr Herz schlug jedes Mal schneller, wenn sie jemanden sah, der sie an Rayne oder Lucas erinnerte.
Sie wollte fast schon aufgeben, da entdeckte sie zwischen den Bücherregalen einen Schatten, der sich bewegte. Das musste sie sich genauer ansehen.
âBitte, lass es Lucas seinâ, flüsterte sie.
Sie saÃen in der Klemme. Es gab nur zwei Regalreihen, die ihnen Schutz boten, und egal, für welchen Ausgang sie sich entschieden â sie würden Mia in die Arme laufen. Rayne sah keinen Ausweg. Wenn ihre Schwester in der Nähe des Empfangstischs blieb, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie sie entdeckte. Gabe zuliebe musste Rayne das verhindern. Er hatte ihr doch nur helfen wollen. Das Letzte, was er brauchen konnte, war ein Kreuzverhör mit ihrer Schwester, die über alles und jeden urteilte und ständig ihre Nase in Dinge steckte, die sie nichts angingen.
âIch schwöre, dass ich keine Ahnung habe, was sie hier macht. Sie fährt seit einer Weile total drauf ab, mir hinterherzuspionieren. Ich werde mit ihr reden und sie fragen, was sie hier willâ, bot Rayne an, während sie Mia aus ihrer Kauerstellung zwischen den Regalen durch die Bücherreihen hindurch beobachtete. âDiesmal hat sie wenigstens keine Polizei im Schlepptau.â
âCops. Na toll.â Er verzog das Gesicht.
âIch lenke sie ab, dann hast du die Möglichkeit, dich hier rauszuschleichen. Sie ist ja nicht hinter dir her. Immerhin kennt sie dich gar nichtâ, sagte Rayne. âWenn sie mich nicht zwingt, mit ihr zu kommen, können wir uns drauÃen bei meinem Motorrad treffen, sobald ich sie los bin.â
âJa, okay.â
Gabriels Zustimmung kam viel zu schnell. Wie er da so neben ihr kauerte und sein Blick zwischen Mia und dem Ausgang hin und her zuckte, wirkte er total geistesabwesend. Er stellte keine Fragen nach den Cops und wollte auch nicht wissen, warum sie glaubte, sich vor ihrer eigenen Schwester verstecken zu müssen. Rayne hatte ein ziemlich ungutes Gefühl, was seine Gründe betraf. Vertrauen. Alles lief auf Vertrauen hinaus, und sie war sich nicht mehr sicher, ob Gabriel wirklich auf dem Parkplatz auf sie warten würde. Der Typ war immerhin ein echter Profi im Verschwinden.
âGabriel? Sieh mir in die Augen und sag mir die Wahrheit.â
Er zuckte mit den Achseln. Es schien ihm schwerzufallen, zu tun, worum sie ihn gebeten hatte. âWas?â
âWenn ich sie für dich ablenke, wartest du dann drauÃen auf mich?â Sie legte eine Hand auf seine Schulter. âDu weiÃt, wie wichtig mir das hier ist. Lucas steckt in Schwierigkeiten. Ich weià es, und ich glaube, du weiÃt es auch. Wenn du sagst, dass du dort sein wirst, dann glaube ich dir.â
Noch während sie die Worte sagte, zweifelte Rayne daran, dass sie sie auch so meinte.
Rayne hatte eine Art, ihm in die Augen zu sehen, die die Wirkung eines Lügendetektors hatte. Gerade wirkte sie verletzt. Gabe war sich nicht sicher, ob sie ihm irgendetwas von dem, was er gesagt hatte, abkaufte. Er mochte dazu in der Lage sein, eine
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